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Jahre des Zorns

In Berlin werden Druckgrafiken des revolutionären Künstlers, Roma-Aktivisten und libertären Kommunisten Helios Gómez gezeigt

Von Kornelia Kugler

Die Berliner Galerie Kai Dikhas für zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma stellt aktuell Druckgrafiken des Künstlers, Roma-Aktivisten und libertären Kommunisten Helios Gómez aus. Obwohl er als einer der bedeutendsten politischen Grafiker Spaniens der 1920er und -30er Jahre gilt und im Zentrum der wichtigsten Netzwerke künstlerisch-politischen Schaffens in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts stand, sind sein Werk und seine Biografie relativ unbekannt. In der Ausstellung ist neben anderen Serien die seltene Berliner Originalausgabe von »Días de Ira – Tage des Zorns« zu sehen.

1905 in Sevilla geboren, widmete sich Gómez nach einer Lehre in einer Keramikfabrik schon früh der Kunst wie dem politischen Aktivismus: In seinen Zeitungsillustrationen und revolutionären Grafiken kritisierte er die politischen Verhältnisse der Zeit. Er war Mitglied der anarchistischen Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo; ab 1925 zeigte er seine Werke in Ausstellungen in Sevilla, Madrid und Barcelona.

Gómez verstand seine Grafiken als ein Ausdrucksmittel revolutionärer Bewegungen.

Verfolgt von der 1923 an die Macht gekommenen Rivera-Diktatur ging Gómez 1927 ins Exil und setzte seine Aktivitäten in Paris, Brüssel, Amsterdam, Moskau, Wien und Berlin fort. Künstlerisch arbeitete er zwischen Futurismus, Kubismus und Expressionismus und knüpft Beziehungen zur Dada-Gruppe. In Anlehnung an die Ideen von Frans Masereel sah er seine Grafiken als ein Ausdrucksmittel revolutionärer Bewegungen: Zentrales Medium ist nicht das Original, sondern die Reproduktion, die in hohen Auflagen, die die Massen erreichen soll.

»Días de Ira – Tage des Zorns« wurde 1930 von der Internationalen Arbeiter-Assoziation Berlin veröffentlicht. Das Album von 23 kleinen Zeichnungen, die jeweils um ein Gedicht ergänzt sind, zeigt in holzschnittartigen schwarz-weißen Tuschegrafiken die Schreckensherrschaft der Diktatur in Spanien. Hier präsentiert Gómez sich explizit als Roma (Gitano), und gibt dieser Identität nicht nur eine kulturelle oder ethnische, sondern auch eine politische Bedeutung. Er betrachtete den Kampf für die Rechte der Roma als Teil des größeren Kampfes des Proletariats.

Er betrachtete den Kampf für die Rechte der Roma als Teil des größeren Kampfes des Proletariats.

Nach dem Ende der Diktatur Ende 1930 kehrte Helios nach Barcelona zurück, wo er für eine Vielzahl von Zeitschriften arbeitete, und auch Buchtitel und Illustrationen von Büchern gestaltete. Er veröffentlichte das Manifest »Warum ich dem Anarchismus den Rücken kehre« und trat in die Kommunistische Vereinigung von Katalonien und den Balearen ein, um schon kurz darauf wegen seines Antidogmatismus wieder ausgeschlossen zu werden. 1931 trat er in die Kommunistische Partei Spaniens ein und arbeitete als Illustrator für Mundo Obrero (Welt der Arbeiter).

Nach einer Einladung auf den internationalen Kongress proletarischer Künstler*innen in der Sowjetunion 1932, lebte er zeitweilig in Moskau und Leningrad, kurz wieder in Barcelona und später in Brüssel. Er kehrte mit dem Bürgerkrieg nach Spanien zurück und kämpfte für die Verteidigung Barcelonas. Nach dem verlorenen Krieg flüchtete Gómez nach Frankreich, wo er zwischen Februar 1939 und Mai 1942 in Konzentrationslagern in Frankreich und Algerien interniert war. Zurück in Spanien betätigte er sich politisch und künstlerisch gegen die Franco-Diktatur, 1945 bis 46 war er in Barcelona inhaftiert, in dieser Zeit entstand das autobiografische Gedicht »Erika«. 1948 wurde er wegen seiner Weigerung, mit dem Franco-Regime zu kooperieren, erneut verhaftet. Nach seiner Freilassung 1954 starb er 1956 in Barcelona an den gesundheitlichen Folgen der Haft.

Sein Vermächtnis sind sein Leben und seine Kunst: Der antifaschistische Internationalismus, zu dem Helios Gómez beigetragen hat, wird in seinen Werken auch heute noch anschaulich und nachvollziehbar vermittelt, ebenso wie sein Einsatz gegen soziale Ungerechtigkeit und sein Kampf für Hoffnung und Solidarität.

Kornelia Kugler

ist Filmemacherin und Teil des queerfeministischen Filmkollektivs Systrar Productions.

Die Ausstellung »Días de Ira – Tage des Zorns: Helios Gómez kehrt zurück nach Berlin«, kuratiert von Álvaro Garreaud und Moritz Pankok, ist noch bis zum 29. Oktober 2022 in der Stiftung Kaidikhas (Stiftung für zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma) in der Berliner Prinzenstr. 84 I Aufgang 2 zu sehen.