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|ak 671 | Alltag |Kolumne: Geh bitte!

Geh bitte! Heinz Strunk

Von Bilke Schnibbe

Sollte so langsam in Rente gehen: Heinz Strunk, hier 2016 auf der Buchmesse in Leipzig. Foto: Heike Huslage-Koch/wikimedia, CC-BY-SA-4.0

Heinz Strunk war vermutlich noch nie richtig witzig. Ich gebe zu, dass ich trotzdem lange Fan war. Vor allem die Telefonstreiche von Studio Braun und sein erstes Buch »Fleisch ist mein Gemüse«, in dem es autobiografisch um seine Jahre als Mitglied der Tanzkapelle Tiffany’s ging, hatten es mir angetan. Ok, den Kinofilm, in dem dann auf unangenehm selbstbemitleidende Art das Thema »Misserfolg« bei Weibern porträtiert wurde, fand auch ich eher ekelig. Aber mit den Beschreibungen norddeutscher Schützenbälle und Hochzeiten in Landgasthöfen konnte ich mich als junger Backfisch identifizieren. Vor kurzem kam dann der verhängnisvolle Tag, an dem die Titanic-Redaktion es wagte, dem altgedienten Komiker seine Kolumne »Die Intimschatulle« nach fast zehn (!) Jahren wegzunehmen und den Platz an Ella Carina Werner zu geben. Anstatt einfach nichts dazu zu sagen, munkelte Strunk, das läge wohl an der Frauenquote. Dass es vielleicht daran liegt, dass er seit Jahren die gleichen Witze macht, als wäre er Otto Waalkes, kommt ihm wohl nicht in den Sinn.

Eigentlich war die Ego-Kernschmelze schon aus seinem bisherigen Werk vorherzusehen: Strunks Lieblingsthema ist der Hass von erfolglosen Männern auf abweisende und desinteressierte Frauen. Immer schön versteckt unter Schichten der Selbstironie und Selbstabwertung, sodass sich auch der eigentlich gegen Sexismus eingestellte Mann noch traut, darüber zu lachen. Verdammte, widerspenstige Weiber, die einem nicht zu Diensten sind, aber eben mit Augenzwinkern. Männer vom Typ PARTEI-Mitglied lieben Strunks selbstkasteiende Darstellung scheiternder Männlichkeit.

Das war schon bei »Fleisch ist mein Gemüse« so. Die Mitglieder der Tanzkapelle und auch Strunk selbst werden als groteske Männchen beschrieben, die mit ihren deformierten Körpern und mangelndem beruflichen Erfolg eh kaum eine Alte abkriegen. »Biester« nennen Heinz und ein Kumpel Frauen und Mädchen. Biester interessieren sich nur für Premiumware: Männer mit Geld, Männer mit »normalen« Körpern, richtige Männer eben. Seinen Witzfigur-Kumpanen hat Hauptfigur Heinz immerhin voraus, dass er die Verdammung zur ewigen Beta-Männlichkeit wenigstens sieht. Das erinnert unangenehm an die Argumentationen antifeministischer Frauenhasser im Internet.

Frauen sind bei Strunk die Projektionsfläche, an der sich die Männer von der Rückbank ordentlich abarbeiten dürfen. 2016 widmet Strunk dem Thema ein ganzes Buch, dieses Mal unironisch. Nach der Lektüre wünscht man sich, er wäre beim »Humor« geblieben. »Der goldene Handschuh« ist ein Roman über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka. Strunk schreibt ihn aus Täterperspektive: Honka hat keine Chance Frauen abzukriegen, die kein Müll sind, weil er selber Müll ist. Also sucht er sich auf der Reeperbahn alkoholkranke, hässliche Frauen, die er sexuell versklavt und dann ermordet. Der vom Leben ausgeschlossene Mann, er kann kaum anders. Faszination für einen Frauenhasser in einen Roman gegossen, das ist es, was der Welt gefehlt hat. Am Ende ist es aber nur die logische Konsequenz aus dem, was Strunk vorher humoristisch angedeutet hat: Frauenhass, man kann ihn schon auch irgendwo verstehen.

Wenn wir uns die aktuellen Zahlen von Femiziden und frauenfeindlichen Amokläufen anschauen, dann ist das alles eigentlich gar nicht mehr so witzig. Im Juli jähren sich die Morde von Anders Breivik zum zehnten Mal. Er hatte über 70 Menschen getötet und dabei vor allem weibliche Jugendliche attackiert. Eines seiner zentralen, gern ignorierten Motive war Frauenhass. Feminismus würde die westliche Welt zerstören, so Breivik sinngemäß in seinem sogenannten »Manifest«. Ähnlich sieht es bei dem Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009 aus. Auch hier tötete der Täter vor allem Schülerinnen aus Hass auf Frauen. An jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Das ist die ernste Seite der Medaille. Vor diesem Hintergrund sage ich: Nein danke, bitte nicht noch ein Buch. Am liebsten gar nichts mehr.

Bilke Schnibbe

war bis Oktober 2023 Redakteur*in bei ak.