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|ak 670 | Alltag |Kolumne: Geh bitte!

Geh bitte! Entwicklungshelfer

Von Paul Dziedzic

Weißer Mann mit Sonnenbrille blickt cool in einem Jeep vor einer Savannenlandschaft drein
Kennt Orte, die kein anderer kennt. Der Entwicklungshelfer. Foto: Pixabay

Eigentlich sollten weiße Entwicklungshelfer die allerletzten sein, die in dieser Kolumne vorkommen. Immerhin, so das Image, sind sie doch »die Guten«, diejenigen, die die die Welt retten und somit automatisch links sind. Diejenigen, die die neusten Buzzwords (Augenhöhe, Partnerschaft, Critical Whiteness etc.) kennen und NGOs gründen. Diejenigen, die jeden Tag globale Ungerechtigkeiten an vorderster Front bekämpfen; von der internationalen Arbeitsteilung bis hin zum Patriarchat.

An paternalistischen, sendungsbewussten weißen Männern mangelt es nicht. Mischen wir da noch ein wenig ethnotouristische Reiselust dazu, haben wir den Entwicklungshelfer. Es ist langweilig und nervig zugleich: Entwicklungshelfer seien doch so einzigartig und hätten so unkonventionelle Lebensläufe. Und vor allem würden sie, so steht es doch im Namen, helfen.

Irgendwann nach dem Abitur entschieden sie, keine Normalos zu sein, packten ihre Rucksäcke und bereisten die Welt. Doch alles, was sie mitbrachten, war die selten nervige Kunst, allen lautstark die eigene Bescheidenheit kundzutun und gleichzeitig trotzdem immer zu wissen, wo es lang geht. Mit der Zeit »stolperten« sie nach oben in NGO-Führungspositionen. Oder sie sind im Kollektiv die lautesten unter gleichen. Tja und jetzt kommt kaum wer im Globalen Süden an ihnen vorbei.

Früher hieß das White Man’s Burden. Und eigentlich heißt es heute immer noch so, aber wehe, das kommt zur Sprache. Denn mit Widerworten haben es Weltenretter nicht so. Immerhin haben sie das geschafft, woran die »anderen« immer scheitern. Sie haben das Problem unterschiedlicher Lebensrealitäten überwunden und dafür verdammt noch mal etwas Applaus verdient! Außerdem haben die Geldgeberorganisationen sie auserkoren (wohlgemerkt nicht die Menschen vor Ort). Sie sind also bewiesenermaßen kompetent genug, für andere zu sprechen, auch, weil sie genug zu sagen haben über die »kleinen Leute« der Welt. Bei Kritik wird das dann auch zur Waffe der Wahl: Warst du schon einmal im ländlichen Soundso? Arbeitest du zusammen mit Kooperativen in Dingsbums? Sprichst du überhaupt diese oder jene Sprache? Nein? Dann kannst du auch die Klappe halten, du hast keine Ahnung! Außerdem heißt es jetzt Entwicklungszusammenarbeit, oder Entwicklungspartnerschaft, du Rassist.

Ich kann nicht mehr mithalten.

Pinseln wir mal mit Terpentin durch die Schichten bestehend aus Plakaten rassifizierter Menschen, Projektanträgen mit den neusten Buzzwords, der Ansprache »wir«, wenn es eigentlich »ich« heißt und so weiter, dann treffen wir auf das gute alte Playbook aus dem 19. Jahrhundert. Typ Internationalist hält universelle Werte hoch, um zu zivilisieren – äh helfen, Typ Anthropologe/Ethnologe hat die Lösung für ganz spezifische, lokale Kämpfe, die niemand verstehen kann – nicht einmal die Betroffenen selbst. Und wer auch immer das infrage stellt, bedroht die Werte der Aufklärung und/oder trampelt auf den Armen dieser Welt herum.

Ich merke schon, wie es schon wieder nervt, weil in dieser, ihrer Story, alle »anderen« zu Statist*innen verkommen. Deshalb, meine lieben weißen Männer in der EZ: Es ist anstrengend mit euch. Eine gute Entwicklung wäre, ihr räumt schnellstmöglich eure Posten.