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|ak 662 | Geschichte

Antifa, her zu uns

Wie die Antifaschistische Aktion entstand und den Nationalsozialismus verhindern wollte

Von Redaktionskollektiv

Das Antifa-Logo wurde vom Bauhaus-Grafiker Max Gebhard erfunden. Die beiden roten Fahnen stehen für die KPD und die SPD. Der rote Kreis steht für den Rettungsring, der beide im antifaschistischen Kampf vereinen sollte. Foto: gemeinfrei

Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet Donald Trump hat der Antifa weltweit zu großer Aufmerksamkeit verholfen: Indem der rechte US-Präsident »the antifa« zur Terrororganisation erklären will, bedient er zwar einerseits die üblichen Verschwörungserzählungen der extremen Rechten von einer vermeintlich übermächtigen Linken. Anderseits reagiert er damit aber auf das reale Wachstum der antifaschistischen Bewegung. Eine gute Gelegenheit, sich anzuschauen, wie die Antifaschistische Aktion historisch entstand – und was wir daraus lernen können.

Das Ende des Rotfrontkämpferbundes

Nach dem Verbot des Rotfrontkämpferbundes fehlte der KPD eine Organisation für den antifaschistischen Kampf, der angesichts des Erstarkens der extrem rechten Verbände immer notwendiger schien. Im Juli 1929 erließ das Zentralkomitee der KPD deshalb in Zusammenarbeit mit der Komintern »Richtlinien über die Organisierung eines proletarischen Selbstschutzes«. Nach den Wahlen vom 28. September 1930, bei denen die NSDAP nach der SPD zweitstärkste Kraft wurde, rief die KPD den Kampfbund gegen den Faschismus (KGF) als Nachfolgeorganisation des Rotfrontkämpferbundes ins Leben; seine Strukturen bauten auf den Resten des illegal weitergeführten Rotfrontkämpferbundes (RFB) auf. Der Verband sollte als überparteiliche Massenorganisation »allen parteilosen, sozialdemokratischen und christlichen Arbeitern, die gewillt sind mit uns zusammen den Faschismus niederzukämpfen« offenstehen. Ziel des Kampfbunds war es, »alle antifaschistischen Kräfte organisatorisch zu einer breiten antifaschistischen Massenbewegung zusammenzufassen, die Mitglieder für den Kampf gegen den Faschismus zu schulen und den Kampf mit den geeigneten politischen und organisatorischen Mitteln zu führen«. Bei Angriffen von Nazis wurden die Mitglieder zusammengerufen, um zurückschlagen zu können. Im Dezember 1931 hatte der Bund allerdings im ganzen Land »nur« 100.000 Mitglieder – zum Vergleich: Im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold der SPD waren eine Million Menschen organisiert.

Nachdem kommunistische Abgeordnete am 24. Mai 1932 im Reichstag von Mitgliedern der NSDAP-Fraktion körperlich angegriffen wurden, reagierte endlich auch die KPD und rief am folgenden Tag die Antifaschistische Aktion aus, in die der Kampfbund gegen den Faschismus überging. Allerdings nicht ohne im Sinne der »Sozialfaschismusthese« daran zu erinnern, dass der Hauptfeind immer noch die Sozialdemokratie sei. Trotzdem nahmen viele Menschen das Signal der KPD mit Erleichterung auf, der Aufruf zur Antifaschistischen Aktion wurde an vielen Orten umgesetzt. Die Führung von SPD und Reichsbanner sah die Gründung der Antifaschistischen Aktion jedoch mit Skepsis; sie verbot ihren Mitgliedern die Teilnahme – bei Zuwiderhandlung drohten Sanktionen bis hin zum Ausschluss.

Mit den Sozis gegen den Faschismus?

Trotzdem entstanden in vielen Betrieben Ausschüsse, in denen sozialdemokratische Gewerkschafter*innen zusammen mit KPD-Mitgliedern arbeiteten. Nach zum Teil mehrjähriger Trennung nahmen sie endlich gemeinsam den Kampf gegen den Terror der Nazis auf. In Hamburg fand hierzu Ende Juni 1932 der »1. Antifaschistische Kampfkongress« statt, an dem über 1.700 Menschen teilnahmen: Über 300 KPD-Mitglieder, fast 130 SPD-Anhänger*innen, einige andere Fraktionen und 14 ehemalige Nazis. Auf dem »Reichseinheitskongress« der verschiedenen antifaschistischen Komitees am 10. Juli 1932 in Berlin wurde die Gründung der Antifaschistischen Aktion schließlich offiziell bekannt gegeben. Das Emblem, entworfen vom Bauhaus-Grafiker Max Gebhard, bildeten zwei von rechts nach links wehende rote Fahnen in einem roten Kreis – die Fahnen standen für Sozialdemokratie und Kommunismus, der Kreis für einen Rettungsring.

Die Uniformierung, die beim Rotfrontkämpferbund noch eines der zentralen Merkmale war, wurde aufgegeben. Im Gründungsaufruf hieß es: Die Antifaschistische Aktion müsse durch »Massenselbstschutz« und »für die Verteidigung der Lebensinteressen aller Werktätigen, durch Streiks der Betriebsarbeiter, durch die Massenaktionen der Millionen Erwerbslosen, durch den politischen Massenstreik der geeinten Arbeiterklasse dem Hitlerfaschismus den Weg zur Macht verlegen« und »der Faschisierung Deutschlands Einhalt gebieten« um die »offene faschistische Diktatur« zu verhindern. Zwar wurde die Sozialfaschismusthese auf Druck der Komintern beibehalten, in der KPD setzte sich mit der Antifaschistischen Aktion aber die Erkenntnis durch, dass man nur gemeinsam mit SPD und Gewerkschaften erfolgreich sein könne.

Erfolgreich an der Basis

Nun war es erneut die Führung der SPD, die ein Zusammengehen behinderte. An der Basis aber gelang die Zusammenarbeit: Antifaschistische Kundgebungen, Demonstrationen, Flugblattaktionen und Kampfwochen gegen den Faschismus wurden organisiert, immer wieder gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Antifaschist*innen und Nazis. Im Laufe des Juli 1932 starben in Deutschland rund 100 Menschen bei solchen Auseinandersetzungen, über 1.000 wurden verletzt. Insbesondere die Sturmabteilung (SA) der Nazis griff regelmäßig Gewerkschaftshäuser und Kneipen an. Hierbei zeigte sich die Stärke der antifaschistischen Komitees, die ihre Viertel, Betriebe und Kulturräume schützten. Im Ruhrgebiet wurden die Parteihäuser der SPD und der KPD mehrfach vor Überfällen bewahrt. Ab Mitte Juni 1932war es der SA in vielen Vierteln des Ruhrgebietes nicht mehr möglich, offen aufzutreten, da sie gemeinsam von Reichsbannermitgliedern, christlichen, unorganisierten und kommunistischen Arbeiter*innen vertrieben wurden. Am 13. Juli 1932 gelang es tausenden Menschen in Wuppertal, einen Auftritt Hitlers bei einer Demonstration der SA zu verhindern.

Am 17. Juli 1932 marschierten rund 7.000 SA-Mitglieder durch den Hamburger Stadtteil Altona, der den Ruf eines »roten Viertels« hatte. Im Verlauf des genehmigten Aufmarschs griffen Nazis ihre Gegner*innen am Straßenrand an, daraufhin wurden zwei Nazis erschossen. Die Polizei drängte die SA ab, führte Hausdurchsuchungen bei Antifaschisten durch und verhaftete 90 Personen. 16 Menschen wurden von Gewehrkugeln getötet, die der Polizei zugeschrieben wurden.

Wenige Wochen später befand der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann mit seinem üblichen stalinistischen Pathos: »Die Antifaschistische Aktion war zweifellos der Schlüssel für die neuen, größeren Erfolge und ein wichtiger Hebel, um die Autorität der Partei und ihre Führerrolle in den Massen zu stärken«. Zugleich fand er selbstkritische Worte, als er feststellte, dass die »Arbeit der Antifaschistischen Aktion gewisse Grenzen hatte. Sie war zu viel gelenkt auf Demonstrationen, auf Konferenzen, auf die Offensive gegen den Naziterror, was zweifellos eine gute revolutionäre Seite ist; aber sie war zu wenig orientiert auf die Arbeit in den Betrieben und an den Stempelstellen.« Ein Problem, das einem heute bekannt vorkommt.

Auch der Versuch der KPD, noch am Tag des Machtantritts der NSDAP einen deutschlandweiten Generalstreik zu organisieren, scheiterte. Zwar versammelten sich im baden-württembergischen Mössingen am 30. Januar 1933 etwa 200 Arbeiter*innen in der Turnhalle, nachdem sie durch einen Kurier über den Streikaufruf informiert worden waren. Die Versammlung beschloss noch am selben Abend die Bildung der Antifaschistischen Aktion und ein weiteres Treffen am folgenden Tag. Nach diesem Beschluss demonstrierten die Teilnehmer*innen spontan mit Parolen wie »Hitler bedeutet Krieg«. Am nächsten Tag traf sich die neu gebildete Antifaschistische Aktion und beschloss, die Belegschaften der Mössinger Betriebe zum Generalstreik zu mobilisieren. Ihre Demonstration mit dem Transparent »Hinaus zum Massenstreik« zog von einem Betrieb zum nächsten und umfasste schon bald 800 Menschen. Aber der Streik im kleinen Mössingen fand keine Nachahmer*innen. Zu weiteren größeren Streikaktionen kam es in Deutschland im Januar 1933 nicht. So konnte auch die Antifaschistische Aktion den Machtantritt der Nazis nicht mehr verhindern. Zu groß waren die Feindschaften der Arbeiterparteien, zu tief die Gräben, als dass der letzte Versuch einer breiten Einheitsfront noch hätte greifen können. Hinzu kamen die Fehleinschätzungen bezüglich des aufstrebenden Faschismus: Schon Ende der 1920er Jahre interpretierte die KPD die Situation als faschistisch. Daher erschien der Machtantritt der Nazis nicht als qualitative Veränderung, sondern nur als quantitative Steigerung. Erst 1935 wurde die Tragweite des Nationalsozialismus auch den Führungen von SPD und KPD allmählich klar. Zu dieser Zeit arbeiteten sie jedoch schon hauptsächlich im Exil.

Redaktionskollektiv

Das Redaktionskollektiv besteht aus Mirja Keller, Lena Kögler, Moritz Krawinkel und Jan Schlemermeyer. In ihrem Buch »Antifa – Geschichte und Organisierung«, zeichnen die Autor*innen die Vorläufer, Theorien und Praktiken der linksradikalen Antifaschist*innen nach und erläutern die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der gegenwärtigen Ausprägungen, wie Antideutsche, Antinationale oder Bewegungslinke.