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Ein literarisches Experiment

Aufgeblättert: »Die Sonne, so strahlend und Schwarz« von Fleur-Chantal Sandjon

Von Nane Pleger

Fleur-Chantal Sandjon hat als erste afrodeutsche Autorin 2023 für ihren Roman den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten. Doch der Roman richtet sich mitnichten nur an Jugendliche. Sie hat mit ihm ein einmaliges Werk der deutschsprachigen Literatur geschrieben, das sich lohnt zu lesen: Es ist kein flüssiger, in Sätzen ausformulierter Text, der erzählt, sondern poetische Verse erzählen wortgewaltig und bildhaft. Wer die Kunstform Spoken Word kennt, die Literatur und Performance verbindet, wird hier eine solche Performance in einen Text gelassen wiedererkennen. Es ist eine Kunst, die schon immer eng mit dem Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen und Machtverhältnisse verbunden ist. Auch die Autorin bricht mit ihrem Versroman nicht nur mit (literarischen) Konventionen, sondern hinterfragt diese zusätzlich – auf formaler wie inhaltlicher Ebene. Es ist die Geschichte der 17-jährigen Nova, die mit ihrer Mutter und ihrem kleinem Bruder in Berlin aufwächst und bei ihrer Suche nach einem eigenen Platz als junge, Schwarze, queere Frau über sich hinauswächst. Ihr stehen dabei lebensbedrohliche Hindernisse im Weg: häusliche Gewalt, institutioneller Rassismus, Klassismus, Queerfeindlichkeit. Sandjon erzählt berührend, wie die junge Figur trotz all des Schmerzes und der Schrecken Liebe, Stärke und sich selbst findet. Es ist die Vision einer Gemeinschaft in Solidarität und Kollektivität, die außerhalb staatlicher Strukturen geschaffen wird.

Fleur-Chantal Sandjon: Die Sonne, so strahlend und Schwarz. Thiemann-Esslinger Verlag, Stuttgart 2022. 384 Seiten, 18 EUR.