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|Thema in ak 701: Anti-AfD

Der andere Osten

Nur unabhängige Förderung kann Projekte stärken, die sich für Vielfalt und Antifaschismus engagieren

Von Netzwerk Polylux

Eine Kundgebung auf deinem Platz, auf der Treppe davor spricht eine Person durch ein Mikrofon.
Hier braucht es mehr Mut, auf die Straße zu gehen, als in einer westdeutsche Großstadt: Demo in Altenburg/Thüringen gegen den Rechtsruck. Foto: Michael w / Wikimedia, CC BY-SA 4.0 DEED

Ein neues Jahr: Gute Wünsche? Hoffnung? Spannung, was es bringt? Geht so. Es braucht keinen Blick in die Schneekugel: Das Jahr 2024 wird ein schweres Jahr. Für einen Vorgeschmack sorgte die Anfang Januar veröffentlichte Recherche von Correctiv zum extrem rechten Netzwerktreffen in Potsdam. Die Faschist*innen ziehen gerade ihre Programmatik für den möglichen Machtgewinn fest, obwohl sie sich untereinander noch nicht in zentralen Strategiefragen einig sind. Ob im Bundestag, in Unternehmer*innenkreisen oder auf der Straße im gewohnt brutalen Stil: Die Reihen schließen sich, sind längst geschlossen. Und natürlich sind gerade Neonazis wie Mario Müller und Martin Sellner (beide Identitäre Bewegung) aufgrund ihrer Skrupellosigkeit geeignet, politische Gegner*innen der AfD außerparlamentarisch mit Gewalt und Gewaltandrohung unter Druck zu setzen.

Im Osten geht nicht nur die Sonne auf

Bei der ersten Wahl des Jahres im Thüringer Saale-Orla-Kreis bekam am 16. Januar der AfD-Kandidat Uwe Thrum 45 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang und 47 Prozent in der Stichwahl. Damit unterlag der in den rassistischen Protesten seit 2015 großgewordene Thrum nur knapp dem Kandidaten der CDU. Recherchen zeigen sehr gut die Verknüpfung von rassistischen Protesten, Kontakten in die militante Rechte und Parteiarbeit in seiner Person. Auch diese Wahl zeigte: nur wenn sich wie 2023 in den Kleinstädten Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) und Seelow (Brandenburg) auf eine gemeinsame Kandidatur anderer Bewerber*innen geeinigt werden kann, ist der AfD noch etwas entgegen zu setzen. Bei der OB-Wahl in Cottbus 2022 gelang das auch, weil der SPD-Mann Tobias Schick es vermochte, das gesamte demokratische Spektrum zu mobilisieren. Ansonsten marschiert die AfD in diesem Jahr bereits bei den Kommunalwahlen im Frühjahr durch. 

Die AfD wurde jahrelang in den meisten Medien so behandelt, als sei sie eine gewöhnliche Partei.

Im Osten geht nicht nur die Sonne auf, es wächst auch die Erkenntnis, die für aufmerksame Beobachter*innen keinen Neuigkeitswert hat: Sehr unterschiedliche rechte politische Akteure, die sich lange untereinander spinnefeind waren, haben in und mit der AfD eine politische Heimat gefunden und bilden einen faschistischen Block, der getragen wird von finanzstarken konservativen Biedermännern – aus dem Westen. Wie eh und je haben Adel und Unternehmertum keine Berührungsängste mit den Menschenfeinden, solange sich daraus für sie finanzielle Vorteile und der Erhalt ihres gesellschaftlichen Renommees ergeben. Der Osten ist nicht erst seit Gründung der AfD vor über zehn Jahren das Labor, in dem rechte Planspiele vorangetrieben werden.

Trotz der seit einigen Wochen vielerorts zahlreichen und gut besuchten Demonstrationen der nach den veröffentlichten Correctiv-Recherchen scheinbar aufgewachten »stillen Mitte«, wird die gewachsene Rechte solange unangetastet bleiben, wie es kein ernsthaftes Interesse des Staates gibt, sie für ihre widerlichen Machenschaften zur Verantwortung zu ziehen. Zu eng sind dafür auch die Verstrickungen mit dem bürgerlichen Lager. Zu wenig wird verstanden, dass die AfD den Faschismus längst in die Parlamente getragen hat, selbst wenn sie noch nicht an der Regierung ist. Zu wenig wird verstanden, dass die AfD jahrelang in den meisten Medien so behandelt wurde, als sei sie eine gewöhnliche Partei, und sich um den Schaden, den sie vielen Menschen und der demokratischen Verfasstheit längst zugefügt hat, wenig geschert wurde. Und noch weniger wird verstanden, dass es eine erhebliche Menge Menschen gibt, die überzeugt ist, dass eine menschenfeindliche und klimarassistische Autokratie im Sinne der AfD für sie die bessere Welt darstellt.

Den Konservativen, die sich von rechts nichts auf die Pelle rücken lassen wollen, aber ihr Fähnchen sofort in den Wind hängen, wenn sich die politische Gemengelage verschiebt, taugt die aktuelle Lage zur Bekräftigung der Hufeisentheorie. Dahinter verstecken kann sich prima, wer sich von rechts nicht ernsthaft bedroht sieht.

Abwanderung der Zivilgesellschaft

Was heute schon kaum aushaltbar ist, wird nach den Ostwahlen in diesem Jahr albtraumhafte Züge annehmen. Da ist zum einen das, was die Partei ihrer Wähler*innenklientel eh verspricht: die rassistische Drangsalierung sowie sexistische und queerfeindliche Ausgrenzung von Menschen. Doch dabei wird es nicht bleiben. Ist die AfD einmal in Regierungsposition, wird sie sich schrittweise an den autoritären Umbau dieser Gesellschaft machen.

In Kommunen, die von der AfD regiert werden, wird diese Politik zum Exodus der noch bestehenden Zivilgesellschaft führen. Viele fragen sich schon jetzt, ob, anstatt zu bleiben und der rechten Hegemonie zu trotzen, eine Übersiedlung in andere Bundesländer nicht die bessere Alternative für das eigene Leben ist. Für solche Überlegungen braucht es gar nicht zwangsläufig den alltäglichen Terror aus nazistischen Graffitis, Bedrohungen und Übergriffen. Für viele aus der Zivilgesellschaft wird schon der drohende Jobverlust bei »zu linken« Trägern und das Wegbrechen von Entfaltungsmöglichkeiten ausreichen. Und das betrifft nicht nur dezidiert linke und antifaschistische Bildungseinrichtungen, das betrifft auch Theater, Clubs und Universitäten. Selbst vor Unternehmen wird diese Entwicklung nicht haltmachen. Zuletzt gehen dann die Projekte den Bach hinunter, die noch immer ehrenamtlich und aus politischer Überzeugung heraus der rechten Phalanx die Stirn bieten. Die Methoden der Menschenfeinde mag man verabscheuen und verachten, aber über längere Zeit ihren offen hasserfüllten, gewaltvollen, vom Hegemoniebestreben angefeuerten Druck aushalten – das können nur wenige.

Kräfte bündeln, Brandmauern halten

Es gibt den »anderen Osten« schon lange. Vor fünf Jahren im Zuge der Debatte um die rassistischen Pogrome in Chemnitz und die Erfolge der AfD bei der Europawahl 2019 haben wir mit der Gründung von Polylux versucht, einen Weg zu finden, um denjenigen Unterstützung zukommen zu lassen, die in Ostdeutschland geblieben sind. Wir unterstützen sie beim Bleiben, Weitermachen oder auch neu Anfangen, um Hass und Hetze entgegen zu treten und andere Ideen sicht- oder auch wieder sagbar zu machen. Die ein antirassistisches, antifaschistisches und solidarisches Leben und die Vorstellung einer auf Vielfalt und Gemeinschaft aufbauenden Gesellschaft vertreten und verteidigen – für weitaus mehr Menschen als nur sie selbst.

In dem radikal an der Menschenwürde und Menschenrechten festgehalten wird, genauso wie an humanistischen Idealen, die den Menschen ins Zentrum politischen Handelns stellen, statt ihn zum Spielball von Wirtschaft, Nationalstaaten und Völkern zu machen. Ihn zu stärken, ist eine Aufgabe für alle.

Netzwerk Polylux

will die ostdeutsche Zivilgesellschaft stärken. Es unterstützt Initiativen vor Ort.

1.000 neue Fördermitglieder bis zu den Landtagswahlen

Seid dabei: Unabhängige Strukturen gegen menschenverachtende Politik aufbauen! Solidarität ist unsere Antwort! Wir werden täglich mehr und bis zu den Landtagswahlen im September wollen wir 1.000 Fördermitglieder sein. Informationen findet ihr unter: www.polylux.network und auf Instagram: www.instagram.com/polylux_network.