Sachkenntnis und Erfahrungswissen
Aufgeblättert: »Globale Solidarität« von Alexander Behr
Von Jens Kastner
Zeitgleich zum Wiederaufleben eines Nachdenkens über solidarische Praxis durchläuft die neoliberale Hegemonie ihre nächsten Phasen; ultrarechte Parteien werden stärker. Alexander Behrs Appell für die »Dringlichkeit« von Solidarität kommt da gerade recht. Behr argumentiert einerseits als Sozialforscher für eine Abkehr von der imperialen Lebensweise (Ulrich Brand/Markus Wissen), deren vernichtende Folgen für Mensch und Natur er an vielen Beispielen aufzeigt. Andererseits ist das Buch getragen von der eigenen Praxis des Autors als unermüdlicher und langjähriger Aktivist bei Afrique-Europa-Interact und anderen Initiativen und Projekten, was die Schilderung solidarischer Praktiken besonders praxisnah werden lässt und dem Text eine besondere Legitimität verschafft.
Das durch Sachkenntnis und Erfahrungswissen beeindruckende Buch ordnet gegenwärtige emanzipatorische soziale Bewegungen in die Geschichte der internationalen Solidarität ein, scheut aber auch vor theoriegeschichtlichen Kontextualisierungen des Solidaritätsbegriffes nicht zurück. Während einerseits die Strukturen erhellt werden, die Solidarität verhindern, können die Beispiele aus den sozialen Bewegungen auch Hoffnung machen für die sozial-ökologische Transformation. Hier vertritt der Autor den angenehm undogmatischen Ansatz einer »Doppelstrategie« von gleichzeitig institutionellen und bewegungsorientierten Praktiken einer Solidarität, die an Nationalstaatsgrenzen nicht Halt macht.
Alexander Behr: Globale Solidarität. Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen. München 2022, oekom Verlag. 278 Seiten, 20 EUR.