Was taugt die Kreislaufwirtschaft?
Von Yannick Heni

Kreislaufwirtschaft« ist en vogue. Spätestens mit den von der EU-Kommission verabschiedeten Aktionsplänen für die Kreislaufwirtschaft aus den Jahren 2015 und 2020 wurde das Konzept zu einem zentralen Element der Umwelt- und Klimapolitik. Unternehmen bekennen sich zu ihr und auch in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl kündigten fast alle etablierten Parteien den Ausbau der Kreislaufwirtschaft an.
Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff? Seit den 2000er Jahren hat er seine moderne Bedeutung erhalten, die nicht nur das Abfallmanagement, sondern die gesamte Wertschöpfungskette umfasst – einschließlich des Produktdesigns, der Konsummuster und der Geschäftsmodelle. Doch eine einheitliche Definition von Kreislaufwirtschaft existiert bislang nicht. Kurz gesagt: Die Kreislaufwirtschaft ist ein systemischer Ansatz zur Senkung des Verbrauchs primärer Ressourcen durch Steuerung des gesellschaftlichen Stoffwechsels. Maßgeblich sind dabei die sogenannten 3R-Prinzipien: reduce, reuse, recycle (reduzieren, wiederverwenden, recyclen). Durch die Anwendung dieser Kreislaufwirtschaftshierarchie sollen sowohl Ressourceninput als auch Abfall, Emissionen und Energieverluste durch Verlangsamung, Schließung und Verengung von Material- und Energiekreisläufen minimiert werden. Auf Produktebene kann das durch langlebiges Design, Wartung, Reparatur, Wiederverwendung, Wiederaufbereitung, Remanufacturing und Recycling erreicht werden.
Betrachtet man den enormen Rohstoffverbrauch, wird die Notwendigkeit einer solchen Transformation offensichtlich. Der weltweite Rohstoffverbrauch hat sich in den letzten 50 Jahren mehr als verdreifacht und überschreitet mittlerweile die Grenze von 100 Milliarden Tonnen pro Jahr. Die Folgen sind gravierend: Rund 50 Prozent der globalen CO2-Emissionen und 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes gehen auf die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung zurück. Zudem geht der Rohstoffabbau mit schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und Menschenrechtsverletzungen einher, besonders im Globalen Süden. Gleichzeitig betrug in der EU der Anteil des recycelten Materials am gesamten Materialverbrauch 2023 lediglich 11,8 Prozent (Deutschland 13,9 Prozent).
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft wird so zu einem Mittel der Entpolitisierung: Es fördert die Einigung zwischen Akteur*innen, während gleichzeitig grundsätzliche Widersprüche verdeckt werden.
Von der Kreislaufwirtschaft erhofft sich die EU allerdings auch, den stotternden Wachstumsmotor wieder in Schwung zu bringen. So wies Kommissionschefin Ursula von der Leyen darauf hin, dass »langfristige Wettbewerbsfähigkeit« nur »durch eine Hinwendung zu einer sauberen und wettbewerbsfähigen Kreislaufwirtschaft« erreicht werden könne. Und das deutsche Bundeskabinett verabschiedete im Dezember die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, von der man sich neben umweltpolitischen Zielen auch »Chancen auf neues, nachhaltiges Wachstum« und einen geringeren Bedarf an Primärrohstoffen erhofft. So könne Deutschland »wettbewerbsfähiger und unabhängiger von Importen« werden.
Das indes ist eine auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete ökomodernistische Spielart der Kreislaufwirtschaft, die vor allem auf technologische Optimierung bestehender Prozesse setzt. Im Mittelpunkt stehen Effizienzsteigerungen, Recyclingtechnologien und neue Materialien sowie die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Die Grundlagen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und ihre Widersprüche bleiben unangetastet.
Dennoch enthält das Konzept der Kreislaufwirtschaft auch emanzipatorische Momente. So gibt es Ansatzpunkte und Schnittmengen mit der Debatte um demokratische Planung. Zudem existieren viele zivilgesellschaftliche Initiativen, die durch Reparatur und gemeinsame und mehrfache Nutzung von Gütern versuchen, eine sorgende und kollaborative Zukunft vorwegzunehmen. Diese Praktiken stehen jedoch im Widerspruch zur marktwirtschaftlichen Logik von Effizienz und Profit. Aus diesem Grund fristen solche »Halbinseln gegen den Strom« (Friederike Habermann) meist ein Nischendasein.
Ein zentrales Problem der Kreislaufwirtschaft ist, dass der Begriff unterschiedliche Bedeutungen und Interessen transportiert. Damit teilt die Kreislaufwirtschaft dasselbe Schicksal wie der Begriff »Nachhaltigkeit«. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft wird so zu einem Mittel der Entpolitisierung: Es fördert die Einigung zwischen Akteur*innen, während gleichzeitig grundsätzliche Widersprüche verdeckt werden. Es ermöglicht eine breite, aber begrenzte Umsetzung und erlaubt das Engagement für ein Thema, trotz Fortführung des gewohnten Modus Operandi. Die zentrale Frage ist daher weniger, ob Kreislaufwirtschaft sinnvoll ist, sondern welche konkreten politischen Maßnahmen letztlich umgesetzt werden.