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|ak 667 | Rechte

Gefährliche Clowns

Kein Putsch, aber trotzdem gefährlich: Rechte stürmen das Capitol.

Von Johannes Tesfai

Maskierte Männer mit USA-Flaggen
Das ist nicht der Kölner Karneval, auch wenn es komisch aussieht. Foto: Elvert Barnes / Flickr, CC BY-SA 2.0

Als Trump-Anhänger*innen am 6. Januar das Capitol in Washington stürmen, erreichen die Weltöffentlichkeit skurrile Bilder aus dem Inneren des Kongressgebäudes. Ein Mann steht dort mit einem Nerzfell auf dem Kopf und anderen Tierhäuten bekleidet und hält ein erbeutetes Polizeischutzschild in den Händen. Es sieht so aus, als hätte Stanley Kubrick ein Remake von »Into the Wild« auf LSD gedreht. Ja, man kann dieses Bild lustig finden. Der Spott, der sich vor allem im Netz über die Gestalten ergießt, die in das Parlament der Vereinigten Staaten eingedrungen sind, ist schon beachtlich.

Der Ku-Klux-Klan etwa begann als Sechs-Mann-Truppe, die Gespensterkostüme trug.

Gleichzeitig fragen sich die Spötter nicht, warum ein rechter Aufstand nicht einfach in Bluejeans und Pullover ein Parlament stürmt. Denn historisch gesehen hatten rechte Bewegungen schon immer einen Hang zu einer eigenwilligen Ästhetik. Der Ku-Klux-Klan etwa begann als Sechs-Mann-Truppe, die Gespensterkostüme trug. Zu einer politischen Organisation wurde dieser Verein erst, als die Kostüme Teil des nächtlichen rassistischen Terrors wurden, der nach der Abschaffung der Sklaverei einsetzte.

Die italienischen Faschist*innen liefen mit Schwarzhemden durch die Straßen Roms, um Stärke zu demonstrieren. Diese Fantasieuniform war unter anderem deswegen schwarz, weil die Faschist*innen sich an der Farbwahl der damals starken Anarchisten bedienten, ihr Programm aber nicht gegensätzlicher sein konnte. So bezogen sie sich auch auf das alte römische Imperium und trugen vermeintlich kaiserliche Standarten vor sich her. Dieser wirre Mix war ein heilloses Durcheinander gegensätzlicher Traditionen, die die Rechten scheinbar national versöhnen wollten. Auch im Capitol finden wir ein Sammelsurium aus Kluften von Irakkriegsveteranen, Hippies, Arbeitern oder eben diesem Typen, der aussieht wie ein Pelzjäger aus einem langweiligen Western-Film.

Unterschiedliche Traditionen werden kombiniert oder können scheinbar nebeneinander existieren, solange sie sich auf das autoritär-nationalistische Programm einigen können. Diesen Pluralismus, der eigentlich schon widersprüchlich ist, findet man übrigens auch bei den Demos der Corona-Leugner*innen in Deutschland.

Auf der anderen Seite finden sich die Panikmacher*innen, die dem Internet-Humor nichts abgewinnen können. Ein Putsch sei das gewesen, die Demokratie stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Diese Einschätzung ist so falsch, wie von den Rechten selbst gewünscht. Während eine scheinbar überforderte Polizei an der Absperrung Tränengas auf Konförderiertenflaggen-Schwenkende schießt, denken wohl einige rassistische Rechte, wieder in der Schlacht bei Gettysburg zu stehen und das Blatt doch noch in Richtung Sklaverei zu wenden. Für die Rechten ist es gar nicht wichtig, dieses Gefecht, das immerhin fünf Menschenleben gefordert hat, zu gewinnen: Vielmehr ist rechte Politik auch immer Reenactment und Spektakel. Jede verlorene Schlacht in Fantasieuniformen wird in der Logik dieser Politik so oft nachgestellt, bis sie zumindest als gewonnen gewertet werden könnte. Denn die Verfassungskrise kam nicht mit dem vermeintlichen Wahlbetrug, sondern mit dem Sturm auf das Capitol. Erst jetzt wird über die Absetzung von Trump gesprochen.

Das rechte Spektakel und der bürgerliche Aberglaube, dass Parlamente Paläste wären (Stuck, teure Möbel, altes Holz), sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Erstürmung des Parlaments bekommt dadurch den Status einer Gotteslästerung, und die Rechte kann sich allein durch den Versuch zum Sieger der politischen Auseinandersetzung erklären.

Eine Deutung der Stürmung des Capitols bedarf deshalb zweierlei: Die Rechten sollten in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden, auch wenn ihr Auftreten manchmal eher an den Kölner Karneval als an einen Putsch erinnert. Gleichzeitig sollte nicht jede spektakuläre Aktion der Rechten als finale Schlacht angesehen werden. Es reicht ja schon, dass sie es tun.

Johannes Tesfai

ist Redakteur bei ak.