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Sudans Autokrat ist gestürzt

Jetzt geht es um die Beseitigung des autoritären Regimes

Von Harald Etzbach

Mit Omar al-Baschir im Sudan wurde Mitte April schon der zweite autokratische Herrscher in einem nordafrikanischen Land nach friedlichen Protesten gestürzt. Bereits eine Woche vorher hatte Abdelaziz Bouteflika in Algerien sein Amt aufgeben müssen. Beiden Rücktritten waren monatelange Proteste der Bevölkerung vorangegangen. Im Sudan begannen die Proteste im Dezember letzten Jahres, als die Regierung die Brotpreise drastisch heraufsetzte – eine Katastrophe in einem Land, in dem Brot ein wichtiges Grundnahrungsmittel ist und die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze lebt.

Auch wenn die Preissteigerungen der Auslöser der Massenproteste waren, liegen die Ursachen für die Unzufriedenheit tiefer. Das Land befindet sich in einer tiefen ökonomischen Krise, ausgelöst nicht zuletzt durch die Unabhängigkeit des Südsudan 2011, denn mit der Abspaltung verlor der Sudan den Großteil seiner Erdölvorkommen. Ähnlich wie heute in Algerien oder in den Ländern, in denen vor acht Jahren die Bewegungen des arabischen Frühlings begannen, wenden sich die Proteste im Sudan aber auch gegen die allgegenwärtige Korruption und die Willkürherrschaft des Regimes. Die Beseitigung des autoritären Systems war daher von Anfang an eine zentrale Forderung der Protestbewegung.

Es sind vorwiegend junge Menschen, die die Proteste anführen, eine Generation, die während der 30-jährigen Herrschaft des Omar al-Baschir geboren wurde und aufgewachsen ist. 65 Prozent der Einwohner*innen des Sudan sind unter 24 Jahre alt. Sie sind nicht nur von der allgemeinen Arbeitslosigkeit besonders stark betroffen, sondern auch von der rigiden Islamisierungs- und Arabisierungspolitik des Regimes. Das gilt vor allem für Frauen, deren Rechte und Freiheiten massiv eingeschränkt wurden. Dies erklärt die starke Präsenz von Frauen bei den Protesten.

Nach der Absetzung al-Bashirs haben die Streitkräfte vorerst die Macht übernommen, zunächst mit dem bisherigen Vizepräsident und Verteidigungsminister Awad Ibn Auf an der Spitze. Ibn Auf gehört zur »alten Garde des Regimes«. Vor seiner Zeit als Regierungsmitglied unter al-Baschir war er Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs des Sudan und Leiter des militärischen Aufklärungs- und Sicherheitsdienstes in der Darfur-Region. Dort führt das Regime seit 2003 einen blutigen Krieg, bei dem nach UNO-Angaben bisher mehr als 300.000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Die Militärjunta will für zwei Jahre eine Übergangsregierung bilden. Erst danach soll es freie Wahlen geben. Zudem gilt für drei Monate der Ausnahmezustand und für einen Monat eine nächtliche Ausgangssperre. Politische Gefangene sollen freigelassen werden. Die Sprecher*innen der Protestbewegung und der Gewerkschaftsdachverband SPA (Sudanese Professionals Association) haben den Putsch des Militärs verurteilt und fordern eine zivile Übergangsregierung. Aufgrund der anhaltenden Proteste erklärte Ibn Auf nach nur zwei Tagen seinen Rücktritt als Chef des Militärrats, ihm soll nun ein weiterer Militär nachfolgen: General Abdel-Fattah Burhan. Die seit Anfang April bestehende Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum soll dennoch fortgeführt werden, ebenso die Demonstrationen in anderen Städten.

Unterstützt wurde die Protestbewegung auch von Soldaten der sudanesischen Armee, die die Demonstrant*innen vor den Übergriffen regimetreuer Milizen schützten. Das zeigt, welchen Einfluss und welche Legitimität die Bewegung in den letzten Monaten gewonnen hat. Armee und Milizen bleiben ein entscheidender Machtfaktor. Daher wird jetzt viel davon abhängen, ob es der Protestbewegung gelingt, die einfachen Soldaten auf ihre Seite zu bringen und dem Einfluss der reaktionären Militärführung zu entziehen.

Harald Etzbach

ist Historiker und Politikwissenschaftler und unter anderem Redakteur beim Westasiendossier der Rosa-Luxemburg-Stiftung.