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Linke kritisieren eher den Klimawandel, als vor Ort zu helfen

Eindrücke vom Hochwassereinsatz in Bad Münstereifel

Interview: Jan Ole Arps

Lean Niko Bente Völkering war als ehrenamtliche*r Helfer*in des Technischen Hilfswerks (THW) im vom Hochwasser zerstörten Bad Münstereifel im Einsatz. Wir haben über die praktische Hilfe vor Ort gesprochen, über die Motivation der angereisten Freiwilligen und darüber, warum das kein Betätigungsfeld für Linke zu sein scheint.

Wo warst du im Einsatz, und was waren deine Eindrücke, als du ankamst?

Lean Niko Bente Völkering: Ich war mit einem Team Ehrenamtlicher des Technischen Hilfswerks in Bad Münstereifel. Der Einsatz dauerte fünf Tage und begann nicht direkt im Anschluss an die Flut, sondern erst am 23. Juli. Das heißt, die ganz schlimmen Situationen, wo man noch Verstorbene fand oder ähnliches, haben wir nicht erlebt. Trotzdem war die Situation total dystopisch. In Bad Münstereifel war wirklich alles kaputt. Straßen waren einfach nicht mehr da, Häuser und Brücken eingestürzt, eine Bahntrasse derart unterspült, dass sie in der Luft hing. Viele Menschen haben alles verloren. Ich habe sowas noch nie gesehen, und es ist schwer zu glauben, dass das, was man sieht, die Realität ist. Ich hatte anfangs das Gefühl, ich stehe in einer Filmkulisse, ich kenne solche Szenen nur aus dem Film.

Was waren deine Aufgaben?

Alles mögliche. In Bad Münstereifel gab es einen Platz, wo alle größeren Hilfsstrukturen angesiedelt waren: das THW, die Feuerwehr, die Bundeswehr, das Rote Kreuz. Von dort wurden wir an Orte weiter verteilt, wo Hilfe nötig war. Wir haben zum Beispiel am städtischen Bauhof geholfen, Sandsäcke zu füllen. Oder, weil wir als THW Gerät für solche Situationen haben, einen Fahrstuhlschacht ausgepumpt.

Gibt es etwas, was dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Eine Situation, die mir besonders im Gedächtnis geblieben ist neben all den Zerstörungen, war am Sammelplatz in Bad Münstereifel, wo wir auf den nächsten Einsatz gewartet und auch gegessen haben. Dort wurden, abgesehen von uns und anderen Helfenden auch Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, mitversorgt. An einem Einsatztag fing es an zu regnen, zum ersten Mal seit dem Hochwasser. Da hat man richtig Panik gespürt oder zumindest eine große Angst bei den Leuten, die das Hochwasser erlebt haben, so nach dem Motto: Geht das jetzt wieder los? Diese Stimmung war wirklich gespenstisch, das hat mich stark beschäftigt.

Wie lief der Kontakt zu den Menschen vor Ort ab?

Wir hatten nicht wahnsinnig viel Kontakt, weil wir durch unsere Leitungsstruktur gezielt eingesetzt werden. Bei uns und anderen professionellen Hilfsstrukturen gibt es ja klare Abläufe dafür, was man machen kann und was nicht, es gilt das Prinzip des Eigenschutzes. In Münstereifel stand zum Beispiel noch in vielen Kellern das Wasser, oder es lag Schlamm in den Häusern. Die Menschen wünschen sich natürlich, dass man da mit anpackt. Wir können aber in ein unterspültes Gebäude erst rein, wenn ein Statiker da war und die Sicherheit beurteilt hat. Solche Regeln sind sinnvoll, hinterlassen aber manchmal den Eindruck, dass wir nicht sehr nützlich sind. Auch weil wir nicht einfach dort, wo wir gerade stehen, helfen, sondern darauf warten, dass wir in den nächsten Einsatz eingeteilt werden. So eine Koordination ist notwendig, damit man nicht blind drauflos hilft, sondern dort, wo es gerade am sinnvollsten ist. Von außen sieht das leicht so aus, dass wir zwar da sind, aber anders als die freiwilligen Helfenden nichts tun. Da fühlt man dann einen Gewissenskonflikt, weil man natürlich gern mit anpacken würde, aber man weiß, anders ist es sinnvoller. Das ist manchmal schwer auszuhalten.

Für die Menschen vor Ort war es total wichtig, dass Leute gekommen sind, die beim Ausräumen der Häuser und beim Schuttwegräumen geholfen haben.

Es war viel von der großen Solidarität in der Bevölkerung die Rede, wie hast du das erlebt?

Es sind schon sehr viele Leute in die betroffenen Gebiete gefahren, um zu helfen, und das ist natürlich total beeindruckend und positiv, auch wenn das unkoordiniert abläuft und es auch Situationen gab, wo Zufahrtstraßen voll waren wegen der Anreisenden. Aber ich glaube, für die Menschen vor Ort war es total wichtig, symbolisch, aber auch praktisch, dass Leute gekommen sind, die beim Ausräumen der Häuser und beim Schuttwegräumen geholfen haben. Der erste freiwillige Helfer, mit dem ich gesprochen habe, war aus Lüneburg. Der hatte die Nachrichten gehört, hat sich in sein Auto gesetzt, ist 500 Kilometer gefahren, und hat dann gefragt, wo er mithelfen kann.

Wer sind die Leute, die freiwillig zum Helfen kommen?

Die Leute, die ich getroffen habe, sind eigentlich alle als Einzelpersonen gekommen, also nicht als Sportverein oder was man sich sonst vorstellen könnte. In meiner Wahrnehmung waren es Menschen, die sich gedacht haben, wenn mir so etwas passiert wäre, würde ich mich jetzt über jede Hilfe freuen. Ich habe den Eindruck, dass es überdurchschnittlich oft Menschen sind, die ein Handwerk erlernt haben oder etwas Praktisches machen, Leute, die gewohnt sind, etwas mit ihren Händen zu machen.

Mich hat gewundert, dass ich von keiner linken Initiative gehört habe in den Tagen nach der Katastrophe, die gesagt hätte, da fahren wir jetzt hin und schauen, wie wir helfen können. Inzwischen scheint es eine Initiative zu geben, aber dass es in den Tagen nach den Überschwemmungen keine solchen Aufrufe gab – ist das nicht merkwürdig?

Ich habe auch nichts davon mitbekommen, aber ich habe auch nur einen kleinen Ausschnitt von fünf Tagen in Bad Münstereifel erlebt. Und ich weiß natürlich nicht, wie die Leute, die auf eigene Faust gefahren sind, sich politisch einordnen. Aber ich denke, es könnte vielleicht daran liegen, dass Linke oft eher in akademischen und nicht so oft in praktischen oder handwerklichen Berufen arbeiten. Vielleicht ist dann die Vorstellung, man steht da im Weg rum. Viele Linke üben eher Kritik am Klimawandel oder am Versagen des Katastrophenswarnsystems, was ja auch wichtig ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun – das höre ich zumindest in meinem Umfeld –, dass es Leute komisch finden, sich zum Beispiel beim THW zu engagieren. Oder an der Seite der Bundeswehr oder der Feuerwehr, die ja auch dort sind.

Inwiefern komisch?

Zum Beispiel hat das THW damals auch bei der Hambi-Räumung mitgeholfen. Da habe ich dann öfter zu hören gekriegt, was das für ein Scheißladen ist, warum ich mich dort überhaupt ehrenamtlich engagiere. Klar, wir unterstehen als Bundesanstalt dem Innenministerium. Aber ich mache das ja nicht, weil ich alles super finde, was das THW je gemacht hat, oder wegen der Deutschlandfahne auf den Klamotten, sondern weil ich in Notsituationen der Zivilbevölkerung helfen will. Bei sowas wie dem Hambi-Einsatz hätte ich aus Gewissensgründen nicht mitgemacht.

Wie ist dein Gefühl, wenn du daran denkst, dass mit dem Klimawandel solche Ereignisse häufiger werden?

Das ist eine krasse Vorstellung, aber leider realistisch. Das ist ja schon das dritte Jahrhunderthochwasser in diesem Jahrhundert – und wird bei weitem nicht das letzte gewesen sein. Abgesehen davon, dass mich der Klimawandel auch als politisches Thema beschäftigt, frage ich mich, warum es zum Beispiel so wenig interessiert, dass die Bundeswehr dieses Jahr knapp 48 Milliarden Euro bekommt, aber eine Bundesanstalt wie das THW, die für den Katastrophenschutz, also den Schutz der Zivilbevölkerung, zuständig ist und in der 80.000 Ehrenamtliche tätig sind, keine 100 Millionen Euro. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, dass zivile Organisationen des Katastrophenschutzes gestärkt und besser ausgerüstet werden, sonst sieht man bei solchen Einsätzen nur noch Soldat*innen helfen, und das kann ja nicht das Ziel sein.