analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 650 | International

Kohle King, Klima kaputt

Nach den Wahlen wird es in Australien nicht mehr, sondern weniger Klimaschutz geben

Von Volker Böge

Nein, ganz so schlecht wie um die deutsche Sozialdemokratie steht es noch nicht um ihre australische Schwesterpartei, die Australian Labor Party (ALP). Aber: Am 18. Mai hat Labor als »unverlierbar« geltende nationale Wahlen verloren – und das krachend.

Dabei hatten seit Monaten alle Meinungsumfragen einen klaren Sieg der oppositionellen ALP in Aussicht gestellt. Die regierende konservative Koalition aus Liberaler und Nationaler Partei (LP und NP) war geschwächt durch interne Machtkämpfe, die zu mehreren Wechseln an der Regierungsspitze geführt hatten, und sie hatte – so schien es – allen Kredit bei den Wahlbürger*innen verspielt. Zahlreiche führende Koalitionspolitiker hatten überdies skandalgebeutelt ihren Hut nehmen müssen oder hatten das vermeintlich sinkende Schiff verlassen: Mehrere Herren entdeckten, dass sie sich mehr um ihre Familie kümmern sollten – just, als ihre Chancen auf Wiederwahl im Keller waren. So schienen die Wahlen für Labor ein Selbstgänger.

Am Abend des 18. Mai dann der Schock. Nicht nur, dass Labor nicht gewinnen konnte – die Partei verlor auch zuvor gehaltene Wahlkreise, vor allem im Bundesstaat Queensland. Das führte dazu, dass es nördlich von Brisbane, also in der Nordhälfte des Kontinents, keinen von Labor repräsentierten Wahlkreis mehr gibt. Die Koalition konnte ihre Mehrheit ausbauen. Sie hält nunmehr 77 Sitze im Repräsentantenhaus, Labor 67 (andere: sechs).

Labors Doppelstrategie wirkte unglaubwürdig

Zentrale Wahlkampfthemen waren Wirtschaft und Klima. Die ALP wollte die Staatseinnahmen durch Erhöhung der Steuern für höhere Einkommen stärken und massive neue Investitionsprogramme auflegen. Die Koalitionsparteien LP und NP dagegen versprachen Steuererleichterungen und »jobs, jobs, jobs« – nicht zuletzt im Kohlebergbau. Klima wurde von der Koalition als ein moralisches Luxusthema der großstädtischen Besserverdienenden abgetan, und es wurde das altbekannte Mantra des Widerspruchs zwischen Arbeitsplätzen und Klimaschutz abgeleiert. Abgesehen davon, dass es in LP und NP starke Fraktionen gibt, die den Klimawandel leugnen, stellt die Regierungskoalition Klimapolitik recht weit nach hinten auf ihrer Prioritätenliste.

Den Grünen gelang es allerdings, Klima zu einem wichtigen Wahlkampfthema zu machen, sodass eine Mehrheit der Wahlberechtigten sich dafür aussprach, dass mehr auf diesem Gebiet getan werden müsse. Die Freitagsdemos der Schüler*innen haben auch in Australien eine beachtliche Dynamik entfaltet. Die ALP versprach im Wahlkampf, mehr für das Klima zu tun, und propagierte recht ehrgeizige Klimaziele – ehrgeizig im Vergleich zur Klimapolitik der Regierungskoalition, wenn auch ebenfalls unzureichend. Gleichzeitig aber wollte sie ihre Stammwählerschaft nicht vergraulen, die immer noch an den Gegensatz Arbeitsplätze – Klimaschutz glaubt. Und so erzählten die Labor-Leute in den Großstädten des Südens das eine (»wir tun etwas für das Klima«) und in den ländlichen Gebieten des Nordens das andere (»wir schaffen Arbeitsplätze«).

Das machte Labor unglaubwürdig. Die Menschen trauten der Partei nicht, zumal Labour keinen glaubwürdigen Plan zum Arbeitsplatzerhalt beim Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien vorlegen konnte. Hinzu kam eine aggressive Anti-Labor- (und Anti-Grünen)-Kampagne der weit rechts stehenden Murdoch-Medien (NewsCorp), die die veröffentlichte Meinung in Australien massiv dominieren und Klimawandelleugner*innen eine massenwirksame Plattform bieten. Und so votierten dann entscheidende Wahlkreise im Norden Queenslands, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Versprechen auf Arbeitsplätze im Kohlebergbau begierig aufgenommen werden, gegen Labor und für die Regierungsparteien oder gar gleich für die rechtspopulistische United Australia Party (UAP) unter Führung des Bergbau-Multimillionärs Clive Palmer oder für die rechtsextreme One Nation Party, angeführt von der Klimawandelleugnerin Pauline Hanson.

Die Kohlelobby jubelt

Bei der Kohlelobby knallten am Wahlabend die Sektkorken. Der Bergbau-Minister der Regierungskoalition bruellte: »Start Adani!« In der Tat scheint der Weg jetzt frei für das derzeit weltgrößte Kohleprojekt – die Carmichael-Mine des indischen Adani-Konzerns im Galilee Basin in Queensland. Am Tag nach der Wahl stieg Adanis Aktienkurs um fast 30 Prozent. Noch mehr Rückenwind erhielt Adani durch den kurz danach verkündeten Wahlsieg Narendra Modis und seiner Bharatiya Janata Party (BJP) in Indien: Konzernchef Gautam Adani ist ein enger Kumpel und Hauptfinanzier von Modi. Bisher kam die Carmichael-Mine nur langsam voran. Es gab Widerstand von Umweltgruppen, Grünen, den Aboriginal-Communities vor Ort, Unterstützergruppen in ganz Australien. Auch die staatlichen Stellen in Queensland hatten es Adani nicht leicht gemacht, wiederholt wurden Nachbesserungen bei der Umweltschutzplanung usw. angemahnt.

Das soll sich jetzt ändern. Die Labor-Regierung in Queensland, angesichts des nationalen Wahlergebnisses in Angst um die eigene Zukunft, hat jetzt verkündet, dass es nun rasch mit Adani vorangehen solle. Allgemein gilt Adanis Mine als Wegbereiter für weitere Mega-Kohleminen im Galilee-Basin. UAP-Boss Clive Palmer will dort seine eigene, noch größere Mine Waratah Coal aufmachen.

Die Grünen haben relativ gut abgeschnitten. Sie erhielten mehr als zehn Prozent. Aber aufgrund des absurden australischen Wahlsystems (nur die Wahlkreissieger kommen durch) haben sie nur einen Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Im Oberhaus, dem Senat, der nach anderen Regeln gewählt wird, sieht es besser aus: Hier haben die Grünen acht Sitze. Die Linke links von ALP und Grünen hat bei den Wahlen keine Rolle gespielt.

Bitteres Fazit: Insgesamt haben die Wahlen, die vorher als »Klimawandelwahlen« galten, ein perverses Resultat erzielt. Für die absehbare Zukunft ist in Australien weniger, nicht mehr Klimaschutz zu erwarten. Ihr könnt euch also da oben auf der Nordhalbkugel noch so sehr abstrampeln, hier »down under« werden derweilen global wirksame klimazerstörerische Fakten geschaffen. Daher zum Schluss ein Appell an Rezo: Bitte schau dir Australien an. Du wirst hier massenhaft Futter finden für ein supergeiles Video. Es wird dringend gebraucht.

Volker Böge

ist Historiker. Er lebt in Brisbane.