analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 684 | Alltag |Kolumne: Jawoll, euer Ehren

You name it!

Von Moritz Assall

Bei Namensgebungen scheiden sich die Geister und auch manchmal auch die Gerichte. Foto: Thomas Kohler/Flickr, CC BY 2.0

Im Kapitalismus gibt es bekanntlich nichts geschenkt. Außer Sushi in einem Restaurant in Taiwan. Hier gab es 2021 für zwei Tage Gratis-Sushi all you can eat für alle mit den chinesischen Schriftzeichen »gui yu« (chinesisch für »Lachs«) im Namen. Allerdings hatten die Restaurantbesitzer*innen die Rechnung ohne das taiwanesische Namensrecht gemacht, nach dem man nämlich schnell und ohne besonderen Grund seinen Namen ändern kann, was 331 findige Menschen auch taten, um das gute Gratis-Sushi abzugreifen. Kleines Problem nur: Offenbar hatten sie sich doch nicht hinreichend informiert, denn die Änderungen sind nur begrenzt oft möglich, weswegen einige von ihnen nun nach aktueller Rechtslage bis ans Lebensende Namen wie »Tanzender Lachs« oder »Lachs-Traum« tragen werden. Immerhin wird wegen dieses Vorfalls nun eine Änderung des taiwanesischen Namensrechts debattiert.

In Deutschland ist das Namensrecht vergleichsweise strikt. Manchmal streiten sich die Eltern untereinander, so in einem Urteil des OLG Frankfurt aus dem Jahr 1956, Twitter-Fundstück der Rechtsanwältin Lucy Chebout. Hier wehrte sich der Vater mit aller Kraft dagegen, dass das Kind nach Wunsch der Mutter »Ulrike« genannt werden sollte, denn die erste Silbe des Namens sei »ein hässliches dunkles Lallwort mongolischer Herkunft« und das ginge ja nun alles so nicht. Meist wird vor Gericht aber darum gestritten, welche Namen die Eltern ihren Kindern geben dürfen, also Eltern gegen Staat. Aus Staatssicht zulässig sind nur Namen, die als Namen erkennbar sind und »dem Kindeswohl nicht schaden«, es vermengen sich also hegemoniale kulturelle Anschauungen und Praktiken mit staatlichem Fürsorgeanspruch und das Ganze im juristischen Gewand. Von deutschen Ämtern abgelehnt wurden zum Beispiel Atomfried, Borussia, Waldmeister, Osama Bin Laden, Bierstübl, Nelkenheini, Satan, Rosenherz, Verleihnix und Woodstock. Als rechtlich möglich angesehen wurden hingegen Dior, Emily-Extra, Sexmus Ronny, Fanta, Lafayette, November, Pumuckl und Schneewittchen. »Chenekwahow Tecumseh Migiskau Kioma Ernesto Inti Prithibi Pathar Chajara Majim Henriko Alessandro« ist wegen der Länge rechtlich nicht zulässig, was 2004 sogar vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.

Manchmal möchten auch Menschen selbst ihren Namen ändern, wofür die rechtlichen Hürden in Deutschland hoch sind, denn das Namensrecht ist geprägt vom »Grundsatz der Namenskontinuität«. Namen sollen also grundsätzlich nicht geändert werden. Dennoch gibt es Fälle, in denen das gelingt. Für einiges Aufsehen sorgte dieses Jahr ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen, zu dem das Gericht Ende Juni eine Pressemitteilung mit dem Titel »Der auf einen bekannten Sprachassistenten lautende Vorname eines Mädchens darf geändert werden« veröffentlichte. Und genau darum ging es: Die junge Klägerin trug den Vornamen Alexa, den sie ändern wollte, weil er ihren Mitmenschen offenbar zu einer besonderen Form des Mobbings Anlass gab.

Die junge Klägerin trug den Vornamen Alexa, den sie ändern wollte, weil er ihren Mitmenschen offenbar zu einer besonderen Form des Mobbings Anlass gab.

In der Pressemitteilung ist zu lesen, dass »die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handele, sondern um das ›Schlüsselwort‹ zur Nutzung des Geräts, dazu führten, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet sei. Hier gehe es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden würden. Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.«

Sich eingeladen fühlen dürften sich dabei vor allem Menschen, für die »Brutalität etwas Selbstverständliches, Normales« ist, wie Édouard Louis in »Das Ende von Eddy« über seine ihn mobbenden Mitschüler schreibt. Louis, der ebenfalls seinen Geburtsnamen änderte, bezeichnete den Prozess seiner eigenen Namensänderung einmal als sehr lang und sehr aufwändig, mit seinem neuen Namen angesprochen zu werden aber als mit das Schönste und Glücklichste in seinem Leben: »Das ist mein Name, das ist was ich gewählt habe zu sein.«

Moritz Assall

ist Jurist und Kriminalsoziologe. Er arbeitet für die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.