analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 699 | Kultur |Kolumne: Jawoll, euer Ehren

Queens of Christmas

Von Moritz Assall

Ein als Weihnachtsmann verkleideter Mensch steht am Strand und hält ein kleines Päckchen in der Hand. Er trägt eine dunkle Sonnenbrille
Nicht ganz normgemäßer Weihnachtsmann mit Sonnenbrille. Foto: Juliescribbles/Wikimedia, CC BY-SA 4.0 Deed

Rosa Luxemburg war den kleinen Freuden des Lebens ja durchaus zugewandt, glühende Anhängerin des Weihnachtsfests war sie aber nicht. »Elende Heuchelei«, schrieb sie, sei dieses offizielle Weihnachtsfest, »wo zur Feier der Geburt des Erlösers der Armen, der Geburt in der Krippe, von der reichen Bourgeoisie am Tannenbaum ein Luxus getrieben wird, der den notleidenden, frierenden, darbenden Massen Hohn spricht.« Spätere Kritiken am Weihnachtsfest wandten sich eher vom christlich-sakralen Aspekt ab und angesichts der Schenkerei der Konsumkritik zu; gerne zitiert werden dabei Adornos Gedanken zum Schenken. Adorno schrieb: »Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten. Es heißt wählen, Zeit aufwenden, aus seinem Weg gehen, den anderen als Subjekt denken (…). Eben dazu ist kaum einer mehr fähig. Günstigenfalls schenken sie, was sie sich selber wünschten, nur ein paar Nuancen schlechter. Der Verfall des Schenkens spiegelt sich in der peinlichen Erfindung der Geschenkartikel, die bereits darauf angelegt sind, dass man nicht weiß, was man schenken soll, weil man es eigentlich gar nicht will. Diese Waren sind beziehungslos wie ihre Käufer.«

Eine wesentliche Rolle zur Kommerzialisierung des Weihnachtsfests kommt dabei laut dem Gesellschaftstheoretiker Philip Dingeldey dem Weihnachtsmann zu, schließlich machte dieser im Gegensatz zum Christkind »es möglich, Kulturgrenzen leicht zu überspringen und damit einer wesentlich größeren Kulturindustrie Weihnachten als Kaufanreiz zur Verfügung zu stellen.« Dabei sei der Weihnachtsmann selbst »die ideale Verquickung von kapitalistischer Konsumkultur, Kitsch und Weihnachten; denn er ist nicht nur selbst ein eifriger Konsument und Genießer, sondern leitet am Nordpol auch noch eine Fabrik, bestehend aus Rentieren und Weihnachtselfen, gilt also dem Märchen nach selbst als kapitalistischer Akteur.« Also, ich weiß ja nicht. Bin ich hoffnungsloser Weihnachtsromantiker, wenn ich den Weihnachtsmann bislang nicht als elfenknechtenden Nordpolkapitalisten gesehen habe? Vielleicht.

Bin ich hoffnungsloser Weihnachtsromantiker, wenn ich den Weihnachtsmann bislang nicht als elfenknechtenden Nordpolkapitalisten gesehen habe?

Vom Oberlandesgericht Düsseldorf wurde 2012 immerhin juristisch klar entschieden, wie der Weihnachtsmann aussieht, zumindest gemäß dem »Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Nippessachen« (konkret: Nippesweihnachtsmänner), das sich die Klägerin gesichert hatte und das im Urteil wie folgt beschrieben wird: »Gedrungener, dicklicher, freundlicher Mann mit einem langen, weißen, spitz zulaufenden Bart (…) dicken Knollennase und weit auseinanderstehenden Punktaugen, Mantel mit weißem Besatz an den Ärmeln, dem Mantelrand und den beiden Taschen (…), schwarze klobige Stiefel (…), eine Zipfelmütze mit weißem, nach oben stehenden ›Bommel‹ und weißem Rand«. Eine andere Firma hatte nun einen ziemlich genau so aussehenden Nippesweihnachtsmann auf den Markt gebracht. Also eine Verletzung des Nippesweihnachtsmanngemeinschaftsgeschmacksmusters? Das OLG Düsseldorf machte eine eingehende Weihnachtsmannuntersuchung. Dem Urteil ist umfangreiches Bildmaterial beigefügt, kein Detail blieb unbeachtet. Dann fand das Gericht den entscheidenden Unterschied: der Bommel! Der war bei der einen Figur »auf die Schulter fallend«, bei der anderen ganz »aufrecht nach oben weisend«. Am Bommel sollt ihr ihn erkennen, dieses juristische Urteil ist somit gefällt.

Und auch die ultimative juristische Weihnachtsfrage wurde letztes Jahr behandelt: Wer ist denn bitte wohl die Queen of Christmas? Kandidatin Mariah Carey hatte versichert, dass sie sich in aller Bescheidenheit »nicht so sehe«, vielmehr sei für sie »die heilige Maria die Königin der Weihnacht«. Die Übergänge scheinen dann aber doch fließend, jedenfalls hatte sie da bereits versucht, sich die Markenrechte an »Queen of Christmas«, »QOC« und »Princess of Christmas« zu sichern. Vor dem Patent- und Markenamt scheiterte sie letztlich aufgrund eines Einspruchs der Sängerin Elisabeth Chan, die eher sich selbst als legitime QOC betrachtet, markenrechtlichen Schutz aber ablehnt, denn »Weihnachten ist für alle da«. Wer die QOC nun ist, blieb somit ungeklärt. Mariah Carey jedenfalls ist es nicht, nicht mal die Princess. Und auch Rosa Luxemburg: eher nein.

Moritz Assall

ist Jurist und Kriminalsoziologe. Er arbeitet für die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.