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|ak 697 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Kommt bitte, vergessene Toys

Von Kuku Schrapnell

Süß, ein paar Sextoys warten auf ihren Einsatz. Foto: Anna Shvets/Pexel

Wer kennt es nicht: Irgendwann überwiegt die Neugier und das erste Mal öffnen sich die Türen eines Sex-Shops. Oder bei den meisten wohl eher der Online-Katalog und die pure Auswahl ist schon erschlagend: Vibratoren, Dildos, Strap-Ons, Fesseln, Gleit- und Massagegele, Reizwäsche, der gute alte Satisfyer, Butt-Plugs, Penis-Ringe, Liebeskugeln, Sexpuppen, Masturbatoren, Masken, Knebel, Nippelklemmen, Peitschen, Paddles, Cock-Cages und -Rings, Douches, Kerzen, Handschuhe, Poppers – und das sind nur einige Oberkategorien.

Natürlich ist das alles sehr auf- und erregend, und nicht selten führt es zum ersten Kauf, der sich aber nicht selten als Griff ins Klo herausstellt. Wobei dies auch erfahreneren Käufer*innen passieren kann. Gerade Online-Shopping birgt in diesem Bereich viele Gefahren, besonders wenn man wie ich keinen realistischen Bezug zu Größenangaben hat. So ist es nicht ungewöhnlich, dass so manches Toy nicht hält, was wir uns davon versprochen haben: zu groß, zu klein, zu wenig oder zu viel Vibration, fühlt sich komisch an, riecht seltsam, macht zwar was es soll, aber es fühlt sich einfach doch nicht so gut an, wie man es sich ausgemalt hat…

Nach ein, zwei oder drei Versuchen landen diese Toys, in die mal so viel Hoffnung gesteckt wurde, neben all den anderen in einer Schublade, einer Kiste oder wo auch immer, rutschen mit der Zeit immer weiter nach hinten, setzen Staub an und sinken ins Vergessen hinab, statt uns in lustvolle Höhen zu treiben. Aber haben sie das verdient? Haben wir nicht eine Verantwortung ihnen und der Welt gegenüber?

Richtig gelesen, auch der Welt gegenüber. Das häufigste Material, aus dem Toys hergestellt werden, ist Silikon. Auch, wenn das Endprodukt ungiftig ist, wird zur Herstellung Chlormethan gebraucht, das nicht nur organschädigend ist, sondern auch im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Auch die Gewinnung von Silizium, der zweiten Komponente zur Herstellung von Silikon, ist emissions- und energieintensiv. Hinzu kommt, dass das fertige Produkt kaum natürlich abbaubar ist.

Ähnliches gilt für Glas, dass für die Herstellung von befriedigenden Spielzeugen immer beliebter wird. So ist Sand eine immer knapper werdende Ressource und das Betreiben der Öfen ein wahrer Energiefresser und auch Leder und Kunstleder können nicht gerade mit einer positiven Umweltbilanz aufwarten. Natürlich ist das, was am Ende für die Produktion von Sextoys verwendet wird, gering im globalen Vergleich, und doch kann sich das in einem Leben ganz schön läppern.

Nicht zuletzt ist die schlechte Prognose, was die natürliche Abbaubarkeit angeht, ein wichtiges Argument. Wollen wir wirklich, dass alles, was wir der Nachwelt hinterlassen, ein paar angeschmolzene Dildos, ein Glasplug und Kunstleder-Fesseln aus PVC ist?

Das soll aber gar kein Aufruf sein, auf die kleinen oder großen Lustmittel zu verzichten. Ganz im Gegenteil! Auf die Natur ist in diesen Dingen ja auch kein Verlass, und es ist ja auch nicht immer jemand zur Stelle. Und ob sich jetzt alle aus Holz selbst was schnitzen sollten, halte ich auch für fraglich (und das obwohl auch dieses Material immer beliebter in alternativen Kreisen wird und sich gar nicht mal so schlecht anfühlt).

Stattdessen lohnt es sich, nochmal die alten Toys in die Hand zu nehmen. Vielleicht lohnt es sich zu überlegen, warum man damals dachte, dass es genau dieses sein soll. Was haben wir uns davon versprochen? Vielleicht ist es nach all der Zeit doch nicht mehr so schlecht oder hat sich die ein oder andere Vorliebe doch auch nochmal geändert? Ist das, was früher zu klein oder zu groß war, heute vielleicht genau richtig?

Vielleicht war es aber auch doch einfach ein Fehlkauf, und irgendwie scheint dann aber die einzige Möglichkeit, die unbrauchbaren Dildos, Vibratoren und was nicht alles in den Mülleimer zu befördern. Dabei scheint mir das ganz und gar unnötig zu sein. Schließlich ist ja aus guten Gründen ein Design-Grundsatz für Sexspielzeug, dass es gut zu reinigen ist. Denn egal ob sie nur solo benutzt werden, in der monogamen Beziehung oder mit jeder neuen Eroberung geteilt werden, nach getaner Arbeit wäre es schön, wenn vor dem nächsten Einsatz alles wieder sauber und in Ordnung ist. Sexuell übertragbare Infektionen sind schließlich meistens doch etwas unangenehm, und für mich persönlich muss es auch echt nicht benutzt riechen.

Wenn man diese kleinen und großen Freudenbringer also so gut reinigen kann, spricht ja auch nichts dagegen, sie weiterzugeben, oder? Aber große Verbreitung findet das Ausleihen, Verschenken oder Weiterverkaufen von Toys nicht. Dabei ließe es sich ja auch gerade beim Lieblingsspielzeug gut nachvollziehen, wenn man auch die besten Freund*innen mal an dem Genuss teilhaben lassen will. Was dagegen spricht, ist, dass die Benutzung von Hilfsmitteln noch immer in der Schmuddelecke steckt. Darüber zu reden, ist entweder schambehaftet oder bleibt einzelnen überlassen, und selbst dann wird selten darüber gesprochen, was genau zum Einsatz kommt und warum.

Vielleicht sollten wir neben Kleidern und Essen also auch mal an die sexuellen Bedürfnisse denken, wenn wir unsere nächste Spendensammlung machen oder einen Umsonstladen einrichten.

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.