analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 687 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Komm bitte, unbezahlte Bildungsarbeit

Von Kuku Schrapnell

Bekanntes Meme auf dem ein muskulöser Mann intensiv auf eine Frau einspricht, die die Augen rollt und sich wegdreht.
Nicht alles, was auf den ersten Blick nach unbezahlter Bildungsarbeit aussieht, ist auch welche.

Seit längerem geistert der Begriff der unbezahlten Bildungsarbeit durch aktivistische Kreise. Da schreibt die eine einen langen Social-Media-Post, um sich aufzuregen, dass schon wieder von ihr erwartet wurde, eben diese unbezahlte Bildungsarbeit zu leisten. Oder der andere verfasst eine Mail zu einer leidigen Diskussion auf irgendeinem Verteiler, um zu sagen, dass es jetzt nicht seine Aufgabe sei, hier unbezahlte Bildungsarbeit zu leisten, und die anderen könnten schließlich auch mal googeln.

Dabei würde ich sagen, dass unbezahlte Bildungsarbeit zum Linkssein dazu gehört, wie mein Name an der Tür. Und eines kann ich mit Sicherheit sagen: Bezahlte Bildungsarbeit ist auch nicht viel besser. Die bezahlte Bildungsarbeit spielt sich meistens bei Vereinen, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften oder – Herz, halt aus! – an Schulen und Hochschulen ab. Neben schlechter Bezahlung und einem Haufen Überstunden »für die Sache« ist es dort nur bedingt möglich, auch radikale Positionen zu vertreten. Sozialpartnerschaft, die Abhängigkeit von öffentlichen Geldern und ein neoliberaler Grundkonsens sorgen dafür, dass die wenigsten dieser Veranstaltungen eine Perspektive auf ein wirklich besseres Leben eröffnen, sondern meistens im Reformismus stecken bleiben.

Ich habe gar nichts gegen Reformen, sondern denke, dass jede Verbesserung, die wir im Hier und Jetzt erstreiten können, es wert ist. Aber wenn es darüber nicht hinausgeht, könnten wir genauso gut bei der gelb-rot-grünen »Fortschrittskoalition« stehen bleiben und behaupten, das wäre jetzt der Kommunismus.

Auf der anderen Seite hätte man auch immer noch die Möglichkeit, Bildungsarbeit freiberuflich zu machen. Nur um dann von eben jenen Vereinen, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften oder – Herz, halt aus! – Schulen und Hochschulen eingeladen zu werden mit den gleichen Nachteilen, aber ohne festes Gehalt. Oder die Finanzierung läuft über Teilnahmegebühren und die erreichte Zielgruppe beschränkt sich dann auf die Mittelschicht, sofern man auch noch von dem Geld leben möchte.

Ich will hier gar nicht bestreiten, dass, wenn man in dieser Gesellschaft schon gezwungen ist, irgendwo die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, es für viele linke Aktivist*innen attraktiv ist, die gelernten Agitprop-Skills auch zum Beruf zu machen. Offensichtlich bin ich da keine Ausnahme. Und ich fände es auch dringend notwendig mal darüber zu reden, wem es überhaupt möglich ist, solch einen Job zu machen, vor allem die mit Festanstellung. Denn wenn ich mir die Leitungsebene von so mancher linker NGO angucke, könnte es sich von der Diversität her auch um eine Burschenschaft handeln.

Worauf ich aber eigentlich hinauswill, ist, dass Bezahlung das ganze Bildungsarbeiten nicht besser macht. Denn Bildungsarbeit ist extrem anstrengend. Zumindest da, wo es nicht um sowas wie Lesen, Schreiben oder die Grundlagen der Physik geht – und zumindest letzteres hat bei mir nicht gefruchtet. Aber da, wo sie mit Kämpfen rund um die eigene Identität verbunden ist, wird es haarig. Frauen und Queers, die auf Sexismus hinweisen, BIPoCs, die immer wieder Rassismus erklären müssen, Menschen mit Behinderung, die jedes Mal aufs Neue auf Barrieren aufmerksam machen, sie alle kämpfen eben nicht nur für eine bessere und gerechtere Zukunft, sondern schon im Hier und Jetzt um Grundrechte und Teilhabe, um ein unversehrtes Leben und im Zweifelsfall auch ums Überleben.

Dabei könnte das Sprechen über Bildungsarbeit eben genau das sichtbar machen: Dass es sich dabei um Arbeit handelt. Ähnlich, wie die feministische Forderung nach Lohn für Hausarbeit nicht zum Ziel hatte, jede Tätigkeit in Lohnarbeit zu verwandeln und damit das Patriarchat auszuhebeln, schafft es bezahlte Bildungsarbeit nicht, uns die befreite Gesellschaft zu bringen.

Worum es ginge, wäre, über die Bedingungen zu sprechen, unter denen diese Arbeit stattfindet. Was es mit den einzelnen macht, die eigenen Lebensweisen und Beziehungsformen, Ansprüche und Bedürfnisse immer wieder neu erklären und damit auch legitimieren zu müssen. Was sie brauchen, um diese Arbeit machen zu können, dass es ok ist, wenn es manchmal zu viel wird, und wie wir uns gegenseitig unterstützen können.

Es käme darauf an, uns wieder bewusster zu machen, wo uns ganz ohne Gegenleistung beigebracht wurde, was Solidarität heißt und wie das mit dem Warenfetisch genau gemeint war. Wer in welchem Bett mal ein paar verquere Vorstellung über Sex und Begehren geradegerückt hat und wo uns der Raum gegeben wurde zu lernen, dass wir keine moralischen Superwesen sind, aber das auch gar nicht so schlimm ist.

Bildungsarbeit ist eben viel mehr, als mal schnell zu googeln. Es ist ein Akt praktischer Solidarität, und den sollten wir uns nicht so schnell nehmen lassen.

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.