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|ak 665 | Alltag |Kolumne: Geh bitte!

Geh bitte! Johnny Depp

Von Bilke Schnibbe

Hat aktuell wohl eher schlechte Laune: Johnny Depp. Foto: Harald Krichel/wikimedia commons, CC BY-SA 3.0

Die britische Zeitung The Sun hatte Johnny Depp einen »wife beater«, Ehefrauenschläger, genannt. Daraufhin hat der Schauspieler die Zeitung wegen Verleumdung verklagt – und nun verloren. Das Gericht kam zu der Erkenntnis, dass Depp seine frühere Ehefrau Amber Heard in zwölf Fällen angegriffen hatte. Dieser trat danach auf Bitte der Produktionsfirma Warner von seiner Hauptrolle im Film »Fantastische Tierwesen 3« zurück. In einer Petition fordern nun Fans, dass Depp seine Rolle zurückbekommt, und der bedankt sich auf Instagram für die vielen ermutigenden Nachrichten und den Zuspruch. Das alles klingt, als wäre Depps Villa gerade von einem Tornado ins Meer gerissen worden und nicht, als hätte ein Gericht entschieden, dass man den ewig mysteriös Dreinblickenden berechtigterweise einen Frauenschläger nennen darf.

Man kennt es: Täter werden oft behandelt, als hätten sie soeben die tragische Diagnose einer unheilbaren Krankheit erhalten. Jetzt müssen alle zusammenstehen, wie ein Mann an einem Strang ziehen gegen die Naturgewalten, die die betroffene Bitch mit ihren Vorwürfen entfesselt hat. Es kann ja irgendwie auch nicht sein, dass so viele Dudes im Filmbusiness gewalttätig sind, oder? Da ist doch was faul, munkelt es aus allen Ecken.

Ja, gut, gleichzeitig ist in Deutschland der Bericht über Fälle von Partnerschaftsgewalt 2019 erschienen. Quintessenz: Ist seit 2018 nicht besser geworden mit dem deutschen Frauenschlägertum. Immer noch wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Und das sind nur die Typen, die erfolgreich sind, die Zahl versuchter Morde liegt noch höher. Alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer von versuchter oder vollendeter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Offiziell wurden letztes Jahr 112.800 Frauen von ihren Partnern vermobbt, die Dunkelziffer liegt sicherlich weitaus höher. Und für 2020 können wir uns wohl auf noch höhere Zahlen einstellen. Das sind natürlich alles unprominente Wald-und-Wiesen-Schläger, von denen wir hier reden, aber ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten: Johnny ist in guter Gesellschaft.

In der Petition wird derweil darauf verwiesen, was für ein Gentleman Depp doch sei, dass er sofort sein Amt niedergelegt habe. Wenn ich jetzt schreiben würde, dass Johnny Depp sich verpissen und Arschlöcher wie er keine Filme mehr drehen sollten, weil das deutlich machen würde, dass man ohne Konsequenzen seine Frau vermöbeln kann. Wenn ich schreiben würde, dass wir Scheiße noch mal noch lange nicht sauer genug über das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland und weltweit sind. Was wird dann in den Briefen und E-Mails an die Redaktion, in den Kommentaren auf Facebook und Twitter zum Problem erklärt werden? Dass wir Frauenschläger und Sexualstraftäter weiter verehren wollen dürfen oder dass ich Fäkalsprache verwende?

Lieber Johnny Depp, könnten Sie sich eventuell nach Ihrem kleinen Fehltritt bitte aus der Öffentlichkeit zurückziehen? Also, wenn es keine Umstände macht, würde das eine tolle Message an die jungen Leute da draußen senden. 🙂

Bilke Schnibbe

war bis Oktober 2023 Redakteur*in bei ak.