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Abo| |ak 703 | Alltag |Kolumne: Jawoll, euer Ehren

Die schrecklich nette Familie

Von Moritz Assall

Liebe ohne Leiden? Mit einem Bundesgerichtshof als ideellem Gesamtpatriarch im Ehebett gar nicht so einfach. Foto: Gartenzwerg Designer/Flickr , CC BY-SA 2.0 DEED

Manche Dinge sind ambivalent, zum Beispiel die gesellschaftliche Institution Familie. Friedrich Engels sah in der modernen Familienform nichts weniger als die »weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts« durch seine Unterjochung »als Proklamation eines bisher in der ganzen Vorgeschichte unbekannten Widerstreits der Geschlechter«. Grundlage dafür war, mal wieder, die geschichtliche Entwicklung des Privateigentums, damit einhergehend der Lohnarbeit und die Scheidung von Öffentlichem und Privatem; wobei der Mann den öffentlichen Raum bespielte, die physische, finanzielle und nicht zuletzt rechtliche Vorherrschaft innehatte, während die Frau auf Haushalt und Kinder festgelegt war, allenfalls versehen mit Haushalts- oder Taschengeld. Insofern war die Forderung im Kommunistischen Manifest nur konsequent: Abschaffung der Familie!

Tatsächlich dürfte wenig so geeignet sein, dieser Forderung Vorschub zu leisten, wie familienrechtliche Verfahren vor Gericht. Ein bekannter Klassiker des Grauens ist das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1966. Verklagt war die Ehefrau, der Vorwurf ist im Urteil wie folgt ausgeführt: »Sie habe ihm erklärt, sie empfinde nichts beim Geschlechtsverkehr und sei imstande, dabei Zeitung zu lesen; er möge sich selber befriedigen. Der eheliche Verkehr sei eine reine Schweinerei. Sie gebe ihm lieber Geld fürs Bordell.« Das konnte der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, bestehend aus fünf Männern, natürlich nicht hinnehmen. Sie urteilten, die Ehefrau genüge »ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt«. Und weiter: »Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.« Der BGH als ideeller Gesamtpatriarch im Ehebett gewissermaßen.

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