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|ak 663 | Kultur

Team Scheiße

Die Punkband Deutsche Laichen veröffentlicht in Eigenregie ihr zweites Album

Interview: Bilke Schnibbe

Auch das Albumcover weist auf ein eher pessimistisches Menschenbild hin.

Deutsche Laichen sind eine Punkband und »feministische Punchlinemaschine« wie es in der Presseinformation zur neuen EP »Team Scheiße» heißt. Auf ihrem ersten Album »Deutsche Laichen« hat die gleichnamige Band 2019 mit Songs wie »Emanzenlesbenschlampe« gut vorgelegt, was das Pöbeln anging. Die neue EP steht dem, wie der Name schon ahnen lässt, in nichts nach. Gegründet haben sie sich 2015 in Göttingen und sind in der radikalen Linken verankert. Auch ihre neuen Songs drehen sich um Themen, die die Bewegungslinke insgesamt beschäftigen. Es geht um die rassistischen und antisemitischen Attentate in Deutschland, rassistische Übergriffe und Angriffe und die Unfähigkeit der Linken darauf eine schlagkräftige Antwort zu finden. Für ak haben sie ein paar Fragen rund um Mackermusik, linke Versäumnisse und die Rolle von Musik im Aktivismus beantwortet.

Punk ist ein ruppiges Genre. Wenn ihr euch als feministische Band »mackrige« oder »männliche« Verhaltensweisen aneignet, tragt ihr damit nicht dazu bei, dass martialisches Auftreten als erstrebenswert und sanftes Verhalten als »luschig« gilt?

Deutsche Laichen: In erster Linie eignet sich die Band oder Gruppe, wenn wir von ihren FLINT*-Mitgliedern reden, Verhaltensweisen an, deren Ausübung ihnen in der Gesellschaft abgesprochen werden. In der weiblichen Sozialisation bekommt man in der Regel frühzeitig beigebracht, dass es sich nicht gehört, Wut zu zeigen, offensiv und laut zu sein, sich Raum zu nehmen und sich Dinge nicht gefallen zu lassen. Bei BIPoC-Personen ist dieser Anpassungsdruck noch viel höher. Feministische Performance, also feministisches Auftreten, macht unter anderem aus, dass stereotype Geschlechtergrenzen nicht akzeptiert werden. Das heißt, Gender wird fluide, fließend, performt: Es gibt alles von soft bis mackrig. Das Mackrige fällt bei uns nur mehr auf, weil es mehr Irritationen im System hervorruft, unangepasst wirkt und deshalb provoziert. Und so weit, dass es zu einer Verbreitung mackriger Verhaltensweisen führen würde, wenn feministische Bands sich diesen Teil ihrer Performance nicht verbieten, sind wir noch lange nicht.

Eure neuen Songtexte kritisieren, dass grade wenig Reaktion auf Drohschreiben an PoC und Linke, auf Attentate und die Situation von Geflüchteten aus der linken Szene kommt. Was meint ihr woran das liegt?

Die linke Szene begreift sich als antirassistisch, ist aber gleichzeitig weiß dominiert. Das geht nicht zusammen; anstatt dem intern kritisch nachzugehen, wird weiter immer nur der Rassismus der Anderen angeprangert und nicht in den eigenen Reihen geschaut, wie es zustande kommt, dass die Szene, auch die Musikszene so homogen wirkt. Die eigene Erzählung von sich selbst ist da ja völlig anders. Es ist einfach und bequem, die eigene rassistische Sozialisierung und deren Konsequenzen für das persönliche Handeln auszublenden, Parolen zu rufen und sich weiterhin mit den klaren Feindbildern wie Nazis zu beschäftigen. Das ist natürlich auch unverzichtbar, ist aber bei Weitem nicht ausreichend. Wer gegen Hierarchien und soziale Ungerechtigkeit kämpfen will, muss sich erst einmal über die eigene Positionierung und den allgemeinen Ist-Zustand klar werden und dagegen angehen. Während weiße Personen easy mal eine Pause machen und rassistische Diskriminierung und Gewalt ausblenden können, sind BIPoC-Personen tagtäglich Angriffen ausgesetzt, die sie unter Umständen ihr Leben kosten können.

Was müsste sich ändern an linkem Aktivismus, um diesen Wohlfühlantirassismus zu überwinden?

Aktivismus darf nicht an dem Punkt aufhören, wo jemand die Palette an aktuellen politischen Statements runterbeten und auf sozialen Medien posten kann. Es liegt in der Verantwortung weißer Menschen, ihre Komfortzonen zu verlassen und im echten Leben den Mund aufzumachen oder an anderer Stelle in den Hintergrund zu treten und Supportarbeit zu leisten ohne dafür Beifall zu beanspruchen. Das sind viele Aktivist*innen nicht gewohnt.

Wie seht ihr eure Rolle als Musiker*innen darin?

Musik ist ein gutes Medium, um zu emotionalisieren und zu politisieren. Unsere Songs sind unbequem, weil die Lage so beschissen ist. Wir wollen möglichst viele Menschen mit unseren Texten erreichen. Wir möchten, dass Leute mit einem schlechten Gewissen nach Hause gehen, darüber nachdenken und es das nächste Mal besser machen. Wir möchten, dass Leute empowert nach Hause gehen, weil wir ihnen Kraft geben, durchzuhalten und etwas zu bewegen. Dass wir, Punkband untypisch, vermehrt Gelegenheit haben, Interviews zu geben, in denen die Inhalte besprochen werden, die wir transportieren wollen, ist ein großes Plus.

Was steht jetzt als nächstes bei euch an?

Unsere EP »Team Scheiße« ist am 3. September erschienen. Einen Tag später haben wir unser Release-Konzert in Berlin gespielt. Die Einnahmen gehen an »Women in Exile«, ein selbstorganisierter Verein von geflüchteten Frauen in Brandenburg, die Aufklärungs-, Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit leisten und Asylpolitik aus feministischer Perspektive angehen. Pandemiebedingt stehen davon abgesehen noch keine weiteren Konzerte an.

Deutsche Laichen: Team Scheiße. Veröffentlicht auf Bandcamp.