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Boys just wanna have fun

Die Installation Männerfeste. Moderne Bräuche in Deutschland zeigt Männerrituale von Frauenversteigerung bis Bluterguss

Von Anne Meerpohl

Nachdem die »Klaasohme« von Borkum junge Frauen verhauen haben, lassen sie sich auf einer Litfaßsäule feiern und stürzen sich danach herunter. Foto: G.Meyer

Was passiert, wenn Männerbünde Feste feiern, hat die Forschungsgruppe Männerfeste auf ihrer Recherchereise durch Deutschland herausgefunden und dabei allerhand über Jungfrauen, Eheschließung, Alkoholkonsum und Gewalt zusammengetragen. Das kuratorische Team aus Emma Gottwald, Theresa Hartmann, Johanna Hoffmann und Hendrik Wehling zeigt mit der Wanderausstellung eine Auswahl an Bräuchen und Traditionen, die von leider bekannt vorkommend bis verstörend reichen. Mithilfe von einführenden Texten, Archiv- und Anschaumaterial sowie Interviewausschnitten illustrieren die Installationen patriarchale Traditionen, die kaum reflektiert und bewusst traditionell sexistisch bis in die Gegenwart fortgeführt werden.

In Borkum jagen jedes Jahr am 5. Dezember sogenannte »Klaasohme« junge, unverheiratete Frauen durch das Dorf und schlagen sie mit Kuhhörnern auf das Gesäß.

So werden im Rheinland etwa alljährlich im Frühjahr unverheiratete Frauen versteigert: Ab einem Euro geht es los und die Männer können sich einen Spaß daraus machen, den Preis für bereits Vergebene in die Höhe zu treiben. Die so erkorene Maikönigin hat das zweifelhafte Vergnügen, die Junggesellen bei sich zu Hause zu bewirten und mit der Kutsche durchs Dorf chauffiert zu werden. Heute hat der Brauch wenig mit Romantik zu tun, sondern ist vielmehr ein Fest von Männern für Männer. Historisch entstand diese Tradition, um Grundstücke und anderes Erbgut nicht an Außenstehende weitergeben zu müssen. So bleibt alles im Dorf und überschaubar.

Von Kuhhörnern und Jungfräulichkeit

Gewalttätiger im körperlichen Sinne geht es dagegen auf der Insel Borkum zu. Dort jagen jedes Jahr am 5. Dezember sogenannte »Klaasohme« (Plattdeutsch, zusammengesetzt aus Nikolaus und Onkel) junge, natürlich wieder unverheiratete Frauen durch das Dorf und schlagen sie mit Kuhhörnern auf das Gesäß. Auch, dass die Frauen dabei übers Knie gelegt werden und Blutergüsse davontragen, ist überliefert. Aber nach vollzogenem Ritual gibt es ein Stück Honigkuchen – ostfriesisches Zuckerbrot und Peitsche.

Das Treppenfegen in Norddeutschland für 30-Jährige männliche Ledige wirkt auf den ersten Blick harmloser, doch kann nur der Kuss einer Jungfrau von der Fegepflicht befreien. Das führt nicht selten zu einem großen Altersunterschied und noch höherem Druck auf junge Frauen und Mädchen, sich dem öffentlichen Zwang zu beugen und einen besoffenen Junggesellen »freizuküssen«. Manchmal wird mit Bezahlung nachgeholfen und natürlich auch mit sehr viel Alkohol. Etwas weniger verbreitet ist das Klinkenputzen: Dies wird ausnahmsweise von unverheirateten Frauen durchgeführt. Hier wird es mit der Jungfräulichkeit des männlichen Freiküssers aber nicht so genau genommen. Ein Hinweistext der Installation verweist auf die immer noch aktuelle Wirkmächtigkeit des Konzeptes der Jungfräulichkeit und ihre Mythen, wie die um das angebliche Jungfernhäutchen (Hymen) oder die gewaltvolle Geschichte ihrer Feststellung.

Werte und Tradition

Der Kurzfilm über die Wildeshausener Gilde in Niedersachsen von Jonas Leichsenring führt einem das Unbehagen der zusammengetragenen Männerfeste noch einmal in bewegten Bildern vor Augen. Stolz erzählen die männlichen Gildenmitglieder, dass sie sich in einer Vollversammlung gegen die Aufnahme von Frauen ausgesprochen haben. Die Gilde sei schließlich aus einer Bürgerwehr entstanden und »heute verteidigen wir nicht mehr die Stadt, sondern die Werte und Traditionen.« – »Wollen Sie etwa besoffene Frauen in Fracks sehen?« »Das is‘ einfach so!«

Zusammenhalt, Gemeinschaft und Freundschaft sind Worte, die als Rechtfertigung für die Männerrituale fallen. Diese werden meist von lokalen Männervereinen organisiert und über Generationen weitergegeben. Selbstredend denken sie streng binär und heterosexuell. Gleichberechtigung kann man hier kaum wollen, sondern vielmehr eine Abschaffung der Bräuche für alle Geschlechter. Die Wanderausstellung ist eine unterhaltsame wie abschreckende Auseinandersetzung mit männerorientierten Brauchtümern und lädt die Besucher*innen dazu ein, sie mit weiteren Bräuchen und eigenen Erfahrungen zu ergänzen.

Anne Meerpohl

schreibt in freudiger Erwartung des Endes des Patriarchats. Sie lebt in Hamburg und beschäftigt sich mit queerfeministischen Themen in Form von Illustrationen, Malerei und Texten. Im Fokus steht dabei eine Utopie von Geschlechtlichkeit, Sexualität und Körpern.

Anmerkung:

Zuerst zu sehen war die Installation vom 23.3. – 14.4.2024 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Wer die Wanderausstellung präsentieren möchte, kann sich melden bei: kultur-kollektiv@posteo.de.