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|Thema in ak 718: Artenvielfalt

Attacke auf die Artenvielfalt

Wie der Kampf gegen den Faschismus mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt zusammenhängt

Von Ashley Dawson

Illustration eines Affen, der an einem Dialyse-Schlauch hochklettert.
Illustration: Donata Kindesperk

Die Menschen im südmexikanischen Bundesstaat Tabasco wussten bereits, dass der Klimawandel ihr Leben unerträglich macht, als eine Hitzewelle im Frühjahr letzten Jahres die Temperaturen auf 43 Grad steigen ließ. Nicht nur die Bewohner*innen der drückend heißen Städte litten. Die Hitze war so extrem, dass Brüllaffen, dehydriert und erschöpft, von den Bäumen auf den ausgedörrten Boden fielen. Rettungskräfte versorgten die überlebenden Affen mit Eis und Infusionen. Lokale Tierärzt*innen berichteten, dass sie 83 tote Primaten im gesamten Bundesstaat gefunden hatten und schätzten, dass Hunderte weitere ums Leben gekommen waren.

Als ich vor einem Jahrzehnt die erste Ausgabe meines Buches über das Aussterben veröffentlichte, war sich die Wissenschaft einig, dass der Klimawandel nur sehr wenig zur Krise des Aussterbens beiträgt. Er rangierte weit hinter Faktoren wie Lebensraumzerstörung, invasive Arten, Umweltverschmutzung, Bevölkerungswachstum und Übernutzung (oft mit dem Akronym HIPPO bezeichnet). Das ist heute nicht mehr der Fall. Hitzewellen wie die in Mexiko verursachen in einigen Regionen der Erde so langfristige und starke Populationsrückgänge, dass Wissenschaftler*innen die Klimakrise nun als einen Treiber des Biodiversitätsverlusts ansehen, der mit der Entwaldung und dem Verlust von Lebensräumen gleichzusetzen ist – wenn nicht sogar noch schlimmer ist. So hat extreme Hitze einer aktuellen Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zufolge die Vogelpopulationen in den Tropen in den letzten 70 Jahren um 25 bis 38 Prozent dezimiert. 

Die Ursache für das Versagen, die sich ausbreitenden ökologischen Krisen auf unserem Planeten zu bewältigen, ist der grundlegende Widerspruch unseres Wirtschaftssystems. Dieses System kommerzialisiert und zerstört rücksichtslos alle Elemente natürlicher Ökosysteme, die sich kommerzialisieren lassen. Es ist kein Zufall, dass dieses System – der Kapitalismus – gerade zu dem Zeitpunkt globale Vorherrschaft erlangte, als sich die sich überschneidenden Umweltkatastrophen so dramatisch zu beschleunigen begannen. Die brutalen Widersprüche des kapitalistischen Systems, das auf einer unaufhörlichen, sinnlosen Expansion auf der Grundlage endlicher natürlicher Ressourcen basiert, werden immer offensichtlicher: Die Wälder, Berge und Ozeane des Planeten sowie die darin lebenden kostbaren und vielfältigen Lebensformen – einschließlich der Menschen – erleben das sechste Massenaussterben.

Ultranationalistische Bedrohung

Die Widersprüche des kapitalistischen Systems zeigen sich nicht nur in Umweltkrisen. Die heutige Welt wird von dem heimgesucht, was der Autor Samir Gandesha als »Spectres of Fascism«, als Gespenster des Faschismus, bezeichnet. Die liberale Demokratie ist verfassungsrechtlich nicht in der Lage, den grundlegenden Widerspruch zu lösen, den ihr die bürgerlichen Revolutionen, aus denen sie hervorgegangen ist, hinterlassen haben. Das in der bürgerlichen Demokratie verankerte Versprechen der Gleichheit wird durch die Realität der kapitalistischen Ungleichheit permanent untergraben. 

In kapitalistischen Kernländern wie den USA sind autoritäre Bewegungen durch den sogenannten palingenetischen Ultranationalismus gekennzeichnet. Das heißt, diese Bewegungen glauben, dass die Nation aus einer eng definierten ethnischen Gemeinschaft besteht und dass sie aus ihrer gegenwärtigen Dekadenz wiedergeboren werden muss, um ihre glorreiche Vergangenheit zurückzugewinnen. 

Die faschistische Bedrohung der liberalen Demokratie hat dramatische Auswirkungen auf die Umwelt im Globalen Süden. Seit den 1980er Jahren sind die ärmeren Länder der Welt in wiederkehrenden Schuldenkrisen gefangen. Sie werden durch die von den Finanzinstitutionen des Globalen Nordens (Weltbank, IWF) verwalteten Strukturanpassungsprogramme gezwungen, ihre Sozialausgaben zu kürzen. Um ihre Schulden zurückzuzahlen, müssen sie die Produktion und den Export von fossilen Brennstoffen, Mineralien und anderen Rohstoffen steigern, die vom transnationalen Kapital als nützlich erachtet werden. (ak 696)

Klimaschützer*innen bezeichnen dies als »Debt-Fossil Fuel Trap«, die mit der »Klimaschuldenfalle« einhergeht. In dieser Falle sehen sich arme Länder ihrer Fähigkeit beraubt, mit den immer gravierenderen Auswirkungen der Klimakrise fertig zu werden. Ihre Volkswirtschaften werden ausgehöhlt, um die von milliardenschweren Hedgefonds-Manager*innen gewährten Kredite zurückzuzahlen. Durch dieses perfide Schuldensystem werden anfällige Ökosysteme und das auf sie beruhende menschliche und nichtmenschliche Leben zerstört. 

Trumps Demontage des Umweltschutzes

Im Globalen Norden manifestiert sich der Aufstieg des Faschismus in der paradigmatisch palingenetischen ultranationalistischen MAGA-Bewegung von Donald Trump. Obwohl der Anti-Einwanderungsdiskurs in den meisten Strömungen des Ökofaschismus eine zentrale Rolle spielt, zeigt Trump keinerlei Interesse daran, seinen rassistischen Nationalismus mit Appellen an die ökologische Nachhaltigkeit zu untermauern. Stattdessen prägt er den Diskurs über die »amerikanische Energiedominanz«, der ganz und gar dem fossilen Kapital verpflichtet zu sein scheint.

Trumps Politik hat schwerwiegende Auswirkungen auf die globale Artenvielfalt. Die einschneidenste Maßnahme in Trumps erster Amtszeit war der Austritt aus dem Pariser Abkommen. Zugegeben: Das Abkommen wurde von vielen Kritiker*innen als zahnlos bezeichnet, da es keine Emissionsreduktionen vorschreibt. Trumps Rückzug aus dem Abkommen ist dennoch kein rein symbolischer Torpedo gegen das multilaterale System der globalen Umweltpolitik. Vielmehr hatte der Rückzug der USA erhebliche Konsequenzen. Zum einen stellte er anderen umweltverschmutzenden Nationen einen Freibrief aus, diesem Beispiel zu folgen. Die Folge: Weltweit findet ein Ausbau der Infrastruktur für fossile Brennstoffe statt.

Die faschistische Bedrohung der liberalen Demokratie hat dramatische Auswirkungen auf die Umwelt im Globalen Süden.

Zum anderen war der Austritt aus dem Pariser Abkommen Teil einer umfassenderen Strategie zur Demontage globaler Naturschutz- und nationaler Umweltschutzbemühungen. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit legte Elon Musks Behörde für Regierungseffizienz de facto die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) still. Vor zwei Jahren hatte USAID 375 Millionen US-Dollar für internationale Biodiversitätsprogramme in 60 Ländern und 318 Millionen US-Dollar für sogenannte Forstwirtschaftsinvestitionen bereitgestellt, darunter Fonds für Biodiversität und nachhaltige Landschaften. Die unterstützten Programme trugen, wie wir sehen werden, nicht unbedingt zu einem wirksamen Schutz der biologischen Vielfalt bei. Dennoch sind die Kürzungen von USAID Teil eines umfassenderen Angriffs auf Naturschutzmaßnahmen, zu denen auch die Öffnung von Meeresschutzgebieten für die kommerzielle Fischerei und die Genehmigung der Abholzung der Hälfte der riesigen Nationalwälder der USA für die Holzgewinnung gehören. Und im Frühjahr dieses Jahres machte Trumps »Mine Everywhere«-Verordnung den Weg für Konzerne frei, auch in Nationalparks Rohstoffe abbauen zu können. 

Die heutige extreme Rechte ist also in der Praxis, wie Andreas Malm und das Zetkin-Kollektiv argumentieren, eng mit dem fossilen Kapital verbunden. Dabei könnte ein populärer Autoritarismus, der auf der Erhaltung des nationalen Umwelterbes basiert, theoretisch existieren. Doch die Annäherung zwischen extremer Rechter und fossilem Kapital ist kein Zufall. Die Unterstützung der Elite für den Autoritarismus ist eine Reaktion auf die kapitalistische Krise und soll die materiellen Interessen der herrschenden Klasse schützen (in diesem Fall Investitionen in fossile Brennstoffe).

Eine andere Naturschutzbewegung

Widerstand gegen diese Entwicklungen ist also dringend geboten. Was sind die Kernelemente einer antikapitalistischen, antifaschistischen und dekolonialen Naturschutzbewegung? Das Grundprinzip einer solchen Bewegung muss darin bestehen, über eng definierte Naturschutzstrategien hinauszudenken und die Zusammenhänge zwischen Landraub, der Ausbreitung neuer Formen des Rohstoffabbaus und der Unhaltbarkeit des kapitalistischen Systems aufzuzeigen. Wie es im Manifest für die Zukunft des Naturschutzes von 2021 heißt: »Wir brauchen ein Naturschutzmodell, das die wahren Ursachen der Umweltzerstörung bekämpft und bereit ist, die Hauptverantwortlichen anzugehen: den übermäßigen Konsum und die Ausbeutung von Ressourcen durch den Globalen Norden und seine Unternehmen.«

In der Praxis bedeutet dies das Ende für CO2-Kompensation, CO2-Handel und verschiedene andere Programme, die Konzernen des Globalen Nordens als Greenwashing dienen, ohne tatsächlich zu einer Verringerung der Emissionen beizutragen. 

Selbstverständlich brauchen nicht alle Bereiche der Gesellschaft in den kapitalistischen Kernländern eine Wachstumsrücknahme, also Degrowth. Ein Ausbau der Kapazitäten für erneuerbare Energien, für den elektrifizierten Verkehr sowie für emissionsarme bis emissionsfreie Wohngebäude ist unabdingbar. Aber der Abbau und die Verbrennung fossiler Brennstoffe müssen gestoppt werden, damit wir zu einer echten Energiewende übergehen können.

Darüber hinaus muss das vorherrschende Modell des Naturschutzes grundlegend verändert werden. Anstatt die Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt anzugehen, perpetuiert der Naturschutz derzeit die aus der Kolonialzeit stammende Vorstellung von »Natur« als menschenleerer Wildnis. (ak 693) Dieser Ansatz führt zu Praktiken, die oft gewaltsam ausgrenzend sind und zur Beschlagnahmung und Militarisierung von Land sowie zur Kriminalisierung und Zerstörung der Lebensweise indigener Gemeinschaften führen. 

Bemühungen zur Reform solcher Modelle des »Festungsnaturschutzes« sind allzu oft rein kosmetischer Natur und verstoßen gegen internationale Standards zu den Rechten indigener Gemeinschaften und anderer lokaler Gemeinschaften. Die Beiträge Indigener zum Naturschutz werden in der Biodiversitätspolitik und -praxis erst seit Kurzem anerkannt. Die Berücksichtigung ihrer entscheidenden Rolle bedeutet, dass die Schaffung neuer Schutzgebiete, aus denen indigene und lokale Gemeinschaften ausgeschlossen werden, vollständig eingestellt werden muss.

Anstelle des neokolonialen Paradigmas, das hochkarätige Vereinbarungen zum Schutz der biologischen Vielfalt wie das 30×30-Ziel beeinflusst, müssen Regierungen und Naturschutzorganisationen die Land- und Waldrechte indigener Gemeinschaften uneingeschränkt respektieren, schützen und wahren. Da die Biodiversität in landwirtschaftlichen Ökosystemen gedeiht, die von Kleinbäuer*innen auf der ganzen Welt gepflegt werden, muss sich der Erhalt der Artenvielfalt mit Bewegungen verbinden, die sich für Agrarökologie und Ernährungssouveränität einsetzen und die industrielle Landwirtschaft bekämpfen. Um es zusammenzufassen: Der Erhalt der biologischen Vielfalt erfordert den Kampf gegen den Faschismus und die Unterstützung des Umweltschutzes von unten.

Ashley Dawson

ist Professor für Englisch in New York und unter anderem Autor des Buches »Aussterben. Eine radikale Geschichte« (Berlin 2022).

Übersetzung aus dem Englischen: Guido Speckmann