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|Thema in ak 655: Kosmonismus

Was, wenn wir wirklich allein im Universum sind?

Neuere Science-Fiction-Filme kreisen um die Frage, was es für unsere Beziehung zum Planeten und zum Kosmos bedeutet, wenn das All ein unwirtlicher Ort und außerirdisches Leben unwahrscheinlich sein sollte

Von Leigh Phillips

Sonst niemand da dort draußen? Brad Pitt in "Ad Astra". Foto: 20th Century Fox

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir sind allein im Universum, oder wir sind es nicht«, sagt Arthur C. Clarke, der Autor von »2001: Odyssey im Weltraum«. »Beide sind gleichermaßen erschreckend.« Die Science Fiction des letzten Jahrhunderts hat vor allem die zweite Möglichkeit angenommen – dass der Kosmos nicht nur von Leben, sondern auch von intelligentem Leben wimmelt. Die primären Fragen, die diese Literatur stellte, waren: Wie würde außerirdische Intelligenz aussehen? Woran würden wir sie erkennen? Wie würde sie auf uns reagieren? Und wie würden wir auf sie reagieren? Die erste Möglichkeit, dass wir allein im Universum sind, ist bis vor kurzem in der Popkultur, insbesondere im Kino, nahezu unerforscht geblieben.

Das ist verständlich. Clarke schrieb 1951, zu Beginn des Weltraumzeitalters, in seinem Buch »The Exploration of Space«, dass die Entwicklung der Rakete den Moment markiere, an dem »die Kindheit unserer Spezies vorbei war und die Geschichte, wie wir sie kennen, begann«. Es war eine Ära des Optimismus über den Platz der Menschheit unter den Sternen. Natürlich hätten wir bis zum Ende des 20. Jahrhunderts Mondkolonien und in etwa heute Außenposten auf dem Mars. Was diesen Optimismus dennoch beängstigend machte, war die Ungewissheit, wie die Erwachsenen des Kosmos aussehen würden. Wären sie friedlich? Wären sie so weit fortgeschritten, dass sie uns behandeln würden, wie wir Fruchtfliegen, Ratten oder Labormäuse behandeln? Würden sie uns als Nahrung betrachten? Würden sie neue tödliche Krankheiten bringen, wie die Europäer*innen sie in die Amerikas brachten? Wären sie selbst die Krankheit? Würden sie die Erde zerstören, um Platz für eine galaktische Umgehungsstraße zu schaffen?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir sind allein im Universum, oder wir sind es nicht. Beide sind gleichermaßen erschreckend.

Arthur C. Clarke

James Grays »Ad Astra« ist einer der ersten Filme, der sich explizit mit dem Horror von Clarkes erster Möglichkeit beschäftigt. Was, wenn es keine Außerirdischen gibt? Was, wenn nur wir da sind?

»Ad Astra« und die Einsamkeit des Space-Kapitalismus

Irgendwann in der nahen Zukunft, in »einer Zeit der Hoffnung und des Konflikts«, wie uns der Vorspann des Films erklärt. Major Roy McBride (Brad Pitt) ist in seinem Raumanzug auf der »International Space Antenna« im erdnahen Orbit unterwegs, als eine mysteriöse Strahlenwelle aus dem All die Struktur fast zerstört und Roy hinunter schleudert. Die Erde und ihre Außenposten auf dem Mond und dem Mars wurden von der »Welle« schwer getroffen. Roy, der Sohn des berühmten Astronauten Clifford McBride – der erste Mensch, der zum Jupiter und zum Saturn reiste -, wird vom US-Space-Command informiert, dass die Quelle der Welle das Lima-Projekt im Orbit um Neptun ist.

Das Lima-Projekt wurde einst unter der Leitung von Clifford McBride ins Leben gerufen, um die Suche nach intelligentem Leben auf die entferntesten Teile des Sonnensystems auszudehnen. 16 Jahre vor Beginn der Filmhandlung war die Kommunikation mit dem Projekt eingestellt worden, Clifford und seine Crew wurden für tot erklärt. Roy, der sich längst mit dem Verlust seines Vaters abgefunden hat, wird nun informiert, dass Clifford vermutlich lebt und möglicherweise für die Welle verantwortlich ist. Wir begleiten Roy durch das Sonnensystem, besuchen den Mond, den Mars, ein Schiff in Not, und schließlich Neptun, auf seiner Mission, wieder Kontakt mit dem Vater aufzunehmen.

Die allgemeine Lesart des Films war, dass er vom Versuch eines Sohnes handle, einen entfernten Vater zu erreichen, und von unser aller Unfähigkeit, den anderen zu verstehen. Welche größere Entfernung könnten einen Sohn und einen abwesenden Vater trennen als die zwischen Erde und Neptun?

Und in der Tat: Als Roy seinen Vater endlich erreicht, erklärt ihm dieser schroff, dass er keinen Moment gezögert habe, seinen Sohn und seine Frau zu verlassen, weil die Suche nach intelligentem Leben so viel erfüllender und wichtiger gewesen sei. Wir sehen die Jupitermonde Europa und Ganymed, die Saturnmonde Enceladus und Titan – jene Orte in unserem Sonnensystem, die nach heutigen Erkenntnissen am ehesten für die Entdeckung von Leben in Frage kommen -, während Clifford berichtet, dass sie nirgends auf Leben gestoßen seien. Nach jahrelanger Suche wollte seine Crew eingestehen, dass es da draußen kein Leben gibt, und nach Hause zurückkehren. Clifford bestand darauf, dass das Fehlen von Beweisen kein Beweis für die Nicht-Existenz von Leben sei, und tötete seine meuternde Besatzung.

Wenn wir das einzige intelligente Leben im Universum sind, wären wir der einzige Weg, auf dem sich das Universum seiner selbst bewusst werden kann.

In einem Universum, in dem wir das einzige intelligente Leben sind, wären wir noch um ein Vielfaches bedeutender, als wir bislang dachten: Wir wären der einzige Weg, auf dem sich das Universum seiner selbst bewusst werden kann. Ohne ein solches Bewusstsein gibt es keinen Sinn für das Universum. Nichts ist wichtig. In der Physik gibt es kein »sollte«, nur ein »ist«. Nur intelligentes Leben kann Sinn schaffen.

In einer Sequenz etwa in der Mitte von »Ad Astra« stößt Roy auf ein Schiff, dessen Crew von einer Horde wütender Paviane getötet wurde, den entflohenen Objekten eines wissenschaftlichen Experiments. Obwohl diese Horrorszenen in einem meditativen Film wie »Ad Astra« fehl am Platz wirken, könnten sie als Allegorie dafür gelesen werden, wie die unwirtliche Umgebung des Raumes uns zwangsläufig verrückt macht. Aber könnten sie nicht auch ein Gleichnis für den schieren Schrecken sein, den die Erkenntnis auslöst, dass wir das einzige intelligente Leben im Kosmos sind?

Auch die Szene, in der Virgin Galactic unseren Helden zum Mond transportiert (125 US-Dollar für eine Decke und ein Kissen), hätte dann einen tieferen Sinn. Ebenso die kurze Sequenz auf dem Mond, in der wir eine Basis sehen, die nicht mit den wissenschaftlichen Instrumenten eines »Doctor Who«, »Lost in Space« oder »Star Trek« ausstaffiert ist, sondern von Applebee’s, Subway, DHL und den üblichen Touristenfallen dominiert wird.

Hier geht es nicht allein um eine Kritik an der Banalität eines Franchise-Kapitalismus, der sich bis ins All ausdehnt, auch wenn sich Gray in Interviews in der Tat kapitalismuskritisch geäußert hat. Doch der Film scheint auf einen anderen Punkt hinaus zu wollen. Wenn der Kapitalismus, getrieben von den unbewussten Gesetzen des Marktes, auch die menschliche Existenz auslöschen würde, solange nur die Waren, die das Überleben der Menschheit bedrohen (fossile Brennstoffe etwa), weiter profitabel sind, dann ist nicht nur die Menschheit in Gefahr, sondern ein bewusstes Universum überhaupt. Der Kapitalismus würde einen einsamen Kosmos in einen seelenlosen Kosmos verwandeln.

Hollywoods Wende zum kosmischen Pessimismus

»Ad Astra« mag zu den ersten Filmen gehören, die sich explizit mit Clarkes Möglichkeit eines einsamen Kosmos befassen, aber einige Filme der letzten Jahre – Duncan Jones‘ »Moon«, Alfonso Cuaróns »Gravity«, Christopher Nolans »Interstellar«, Ridley Scotts »Der Marsianer« und Damien Chazelles »First Man« – haben ebenfalls begonnen, diese Frage zu stellen, wenn auch auf andere Weise: Wenn der Rest des Weltraumes so unwirtlich ist, wie es zunehmend scheint, macht es dann überhaupt Sinn, in andere Welten zu reisen?

Nur wenige Filme beschreiben so realistisch derart viele Möglichkeiten, wie das Vakuum des Alls uns umbringen kann, wie Cuaróns »Gravity« (2015). Zu keinem Zeitpunkt löst sich die Spannung, die Gefahr wächst ununterbrochen, bis unsere Heldin, Ryan Stone (Sandra Bullock), schließlich ins Wasser auf der Erde klatscht und an Land kriecht. Hier kann sie – dem Wunder unseres irdischen Ökosystems sei Dank – endlich sicher atmen. Auch wir, das Publikum, haben an dieser Stelle das Gefühl, endlich durchatmen zu können. Cuarón sagt uns durch unsere eigene Physiologie, dass die Erde das einzige Zuhause ist, das wir je haben werden.

Die Held*innen von »Interstellar« untersuchen drei Exoplaneten, die als Kandidaten für einen menschlichen Exodus von der sterbenden Erde in Betracht kommen. Doch sie erweisen sich als unwirtlicher Ozeanplanet, karger Eisplanet und kaum überlebbarer Wüstenplanet. Als alles verloren scheint, rettet der Hinweis einer unergründlich fortgeschrittenen außerirdischen Spezies die Menschheit. Doch später erfahren wir auf ziemlich verwinkelte Art und Weise, dass die Außerirdischen in Wahrheit wir selbst sind. Auch wenn der Film die Bedeutung eines einsamen Kosmos nicht explizit untersucht, scheint dies die Hintergrundannahme zu sein.

Dieser neue kosmische Realismus kommt zu einem Zeitpunkt, in dem das Verständnis der Menschheit von unserer Beziehung zum Planeten und zum Rest des Kosmos erneut in Frage gestellt wird. Schon im 16. Jahrhundert argumentierte der italienische Philosoph und dominikanische Mönch Giordano Bruno, dass die Sterne über uns tatsächlich Sterne mit eigenen Planetensystemen seien – und auch sie könnten als bewohnt angesehen werden (denn warum sollte sich Gott die Mühe machen, eine Welt zu erschaffen, nur um sie dann leer zu lassen?). Diese theologische Position, die den Platz der Menschheit im Zentrum des Universums in Frage stellte, war natürlich Häresie. Die Science-Fiction-Welten in Film und Fernsehen basierten oft auf derselben Vermutung. In der Regel verfügten sie über eine ähnliche Schwerkraft wie die Erde, ähnlichen Luftdruck, ähnliche Chemie.

Teleskope, Mikroskope, Exoplaneten und Bakterien

Dennoch war all das bis vor kurzem Spekulation. Wir wussten nicht mal sicher, ob es Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gibt, bis 1992 der erste Nachweis eines Exoplaneten (1) erbracht wurde. Heute gibt es etwa 4.000 bestätigte Exoplaneten. Sterne mit Planeten, die sie umkreisen, sind also ziemlich normal, und wir müssen wohl zugeben, dass wir nichts Besonderes sind. Oder, wie Stephen Hawking es ausdrückte: »Wir sind nur eine fortgeschrittene Affenart auf einem kleinen Planeten mit einem sehr durchschnittlichen Stern.«

Die Frage, wie außergewöhnlich die Erde ist, kann bereits im kommenden Jahrzehnt beantwortet werden, wenn die nächste Generation von Teleskopen online geht. Die Zusammensetzung der Atmosphären großer Exoplaneten wird bereits heute erforscht, indem das Licht von Sternen untersucht wird, wenn es durch diese Atmosphären hindurch scheint. Wenn ein Planet den Lichtweg seines Elternsterns kreuzt, wird das Sternenlicht durch dessen Atmosphäre gefiltert, so dass wir die Emissionen seiner Gase analysieren können, einschließlich der Biosignaturgase – solcher Gase also, die von Leben erzeugt werden, zum Beispiel Sauerstoff. Im Moment können wir dies nur für Planeten tun, die mindestens so groß wie der Jupiter sind. Aber mit größeren Observatorien wie dem James Webb Weltraumteleskop, das 2021 in Betrieb gehen soll, werden solche Untersuchungen auch für kleinere, felsige Welten in den bewohnbaren Zonen der Galaxie möglich, die den Bedingungen auf der Erde näher kommen.

Wenn wir das Teleskop gegen das Mikroskop tauschen, scheint die Biologie Anlass zur Hoffnung zu geben. Extremophile Bakterien und Mikroben, die unter extremer Hitze, Kälte, Trockenheit, Säure, Alkalität, Radioaktivität, extremem Salzgehalt und Druck oder inmitten von Schwermetallen gedeihen, werden von Astrobiolog*innen genau studiert, da ihre Lebensräume den Bedingungen auf anderen Welten ähneln könnten. Wohin wir auf der Erde auch schauen, überall ist Leben. In den letzten zehn Jahren haben Forscher*innen begonnen, in die »tiefe Biosphäre« vorzudringen, indem sie etwa 2,5 Kilometer tief in den Meeresboden und etwa fünf Kilometer in Minen und Bohrlöcher bohrten. In diesem »unterirdischen Galápogos« leben schätzungsweise 70 Prozent der Bakterien und Archaeen (2) der Welt.

Im September 2019 löste die Nachricht von der Entdeckung des ersten Planeten der bewohnbaren Zone außerhalb des Sonnensystems, von dem wir wissen, dass er Wasser enthält, eine Flut von Artikeln aus. Von einem angeblich »bewohnbaren« Exoplaneten war die Rede – und das in nur 110 Lichtjahren Entfernung, nach astronomischen Maßstäben quasi direkt nebenan (auch wenn eine Sonde wie die Voyager etwa zwei Millionen Jahre bräuchte, um dorthin zu gelangen).

Künstlerische Abbildung des im September 2019 „entdeckten“ Exoplaneten K2-18b (plus seiner SOnne) gemäß der Daten des NASA/ESA Hubble Space Telescope. Bild: ESA/Hubble, M. Kornmesser, CC BY 4.0

Aber K2-18b wird auf fast die dreifache Größe der Erde geschätzt und hat fast die neunfache Masse. Die Größe deutet darauf hin, dass er eine extrem dicke Atmosphäre hat. An seinem felsigen Kern (wenn er einen hat) wäre der Druck dieser riesigen Atmosphäre tausendmal höher als an der Erdoberfläche, die Temperaturen lägen bei 2.700 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen können sich, wie die Harvard-Atmosphären-Spezialistin Laura Kreidberg nicht müde wird zu versichern, komplexe Moleküle, die Voraussetzung für Leben, nicht bilden. Obwohl K2-18b von allen 4.000 Exoplaneten nach Ansicht der Forscher*innen »der beste Kandidat für Bewohnbarkeit ist, den wir bisher kennen«, ist er immer noch unbewohnbar – und sicher keine zweite Erde.

Wo sind sie alle?

Das berüchtigte Fermi-Paradox des italienischen Physikers Enrico Fermi fragt: Wenn es Milliarden von Sonnen in der Galaxie gibt, von denen viele Milliarden Jahre älter sind als unser Sonnensystem, und wenn die Erde so wenig außergewöhnlich ist, dann müssen zumindest einige dieser alten Welten Äonen vor uns Spitzentechnologie erreicht haben – also wo sind dann alle? Warum wurden wir nie besucht?

Hierauf wurden mehrere Antworten vorgeschlagen, darunter vor allem, dass sich eine Zivilisation, sobald sie ein hinreichend fortgeschrittenes technisches Niveau erreicht hat, zwangsläufig selbst auslöscht – vielleicht durch Atomwaffen oder die Verbrennung fossiler Energieträger. Der Direktor des Columbia Astrobiology Center, Caleb Scharf, bietet in seinem Buch »The Copernicus Complex« (2014) eine weitere Erklärung an. Er widerspricht Hawkings Vermutung über unsere Mittelmäßigkeit und stellt fest, dass die Architektur unseres Planetensystems hinsichtlich Umlaufbahnen, Abständen und Planetentypen ein ziemlicher Sonderfall ist.

Warum wurden wir nie von Außerirdischen besucht? Weil sich jede Zivilisation, die ein fortgeschrittenes technisches Niveau erreicht, zwangsläufig selbst auslöscht?

Der Astrophysiker John Gribbin argumentiert in seinem Buch »Alone in the Universe« (2011) ähnlich. Er schreibt, dass eine Reihe unwahrscheinlicher Zufälle nötig war, damit sich intelligentes Leben entwickeln konnte. Etwas früher in der Geschichte der Galaxie, und in unserem Planetensystem hätte es zu wenig Metalle für die Entstehung von Leben gegeben. Wir scheinen uns zudem nicht nur in der bewohnbaren Zone unseres Sonnensystems zu befinden, sondern auch der Galaxie: Wären wir zu nahe am Zentrum, wäre es zu voll, tödliche Ereignisse wie Supernovas und Gammastrahlenausbrüche durch fusionierende Neutronensterne würden häufiger auftreten; wären wir zu weit am Rand, würde uns wieder der Mangel an Metallen den Garaus machen.

Während das Leben hier auf Erden vermutlich schon eine Milliarde Jahre nach ihrer Entstehung begann, dauerte es zwei Milliarden Jahre zwischen dem ersten bakteriellen und archäischen Leben und eukaryotischem Leben (Zellen mit Zellkernen) und eine weitere Milliarde Jahre, bis sich die Eukaryoten dazu aufrafften, sich in multizelluläres Leben einzubringen.

Verglichen mit der 13,8-milliardenjährigen Lebensdauer des Universums, deutet eine Zeitspanne von vier Milliarden Jahren, bis es hier wirklich losging, darauf hin, wie unwahrscheinlich so ein Vorgang sein könnte. Und erst vor 550 Millionen Jahren, während der kambrischen Artenexplosion, breitete sich das multizelluläre Leben in der uns bekannten Vielfalt aus. Wir wissen immer noch nicht, warum dieser bedeutendste Moment in der Fossilienaufzeichnung stattfand und wie wahrscheinlich es daher irgendwo anders ist. Auch in unserer eigenen Vorgeschichte und Geschichte gab es eine Reihe unwahrscheinlicher Ereignisse, so wurde die Menschheit vor etwa 70.000 Jahren durch eine Katastrophe auf nur etwa 1.000 Individuen dezimiert. Gribbins Vermutung ist daher, dass einfaches Leben auch anderswo in der Milchstraße existieren könnte – aber wir sind die einzige technologische Zivilisation in der Galaxie.

Kosmische Herausforderungen für das Leben auf der Erde

Es gibt noch weitere Faktoren, die den neuen kosmisch-realistischen Film prägen, etwa unser relativ neues Verständnis von Ökosystemen oder unser noch neueres Verständnis davon, dass der menschliche Körper selbst ein Ökosystem ist. Viele dieser Filme befassen sich direkt oder indirekt mit dem Klimawandel und seinen Folgen, etwa »Interstellar«, wo es im Hintergrund um Probleme mit Landwirtschaft unter extremen Wetterbedingungen geht. Oder ganz explizit die dänisch-schwedische, hoch realistische Low-Budget-Produktion »Aniara« (2018), eine melancholische Geschichte über ein Raumschiff auf dem Weg zum Mars, das jahrelang ohne Hoffnung auf Rettung umhertreibt. Hier werden die Passagiere süchtig nach einem »Holodeck«-artigen Raum, in dem eine künstliche allgemeine Intelligenz sie mit Träumen von der Natur auf der Erde, »so wie sie einmal war«, füttert.

Wenn wir an Ökologie denken, denken wir meist an die äußere Natur, aber in den letzten Jahren hat die Mikrobiologie gezeigt, dass jede*r Einzelne von uns ein Ökosystem ist. Ökologie und Biologie stellen zunehmend sogar den Begriff der Individualität in Frage. Wie der Wissenschaftsautor Ed Yong es ausdrückt, verbindet uns das vielfältige Leben in uns mit dem globalen Ökosystem – nicht auf abstrakte oder poetische Weise, sondern ganz direkt. In Wahrheit ist es schwer, eine strenge Unterscheidung zwischen uns selbst und der äußeren Natur zu treffen. Das wiederum bedeutet, dass es, um einen längeren Zeitraum außerhalb der Erde zu überleben, nicht ausreicht, sich in einer von David Bowies Blechdosen festzuschnallen, sondern dass wir unsere Ökosysteme oder zumindest wesentliche Teile von ihnen mitnehmen müssen.

Aber wie können wir von der Erde getrennte Miniökosysteme schaffen, die in der Lage sind, sich selbst und uns auf Dauer zu erhalten? Wir wissen es schlichtweg noch nicht.

»Vielleicht gibt es nur einen Planeten, auf dem die Menschheit gut leben kann, und wir sind bereits auf ihm.«

Kim Stanley Robinson

Kim Stanley Robinsons Roman »Aurora« ist ein Gedankenexperiment über einen solchen Versuch. Nach sieben Generationen beginnen die Biome im Raumschiff zu zerfallen, da die evolutionäre Entwicklungsrate von Bakterien und makroskopischen Organismen hoffnungslos auseinanderklafft. Man klappt das Buch in der Überzeugung zu, dass die menschliche Expansion in andere Welten irgendwo zwischen unmöglich und gewaltig schwieriger ist, als es frühere Science-Fiction jemals erahnt hat. »Es gibt viele Menschen, auch mächtige Menschen, die zu denken scheinen, dass das Ziel der Menschheit darin besteht, sich auszubreiten«, sagt Robinson über die Ideen hinter »Aurora«. »Vielleicht gibt es nur einen Planeten, auf dem die Menschheit gut leben kann, und wir sind bereits auf ihm.«

Die Befragung von Clarkes Dilemma durch »Ad Astra« legt sicherlich das Gegenteil von Robinson nahe, auch wenn man Robinsons Argument über die Schwierigkeit, unser Ökosystem mitzunehmen, akzeptiert. Unter geologischen Gesichtspunkten mag das Leben auf der Erde robust sein. Der Planet hat Schlimmeres überlebt, als das, was die Menschheit derzeit mit ihm anstellt. Vielmehr gefährden die irrationalen Produktionsanreize des Marktes die Bedingungen, die das Leben und den Gedeih der Menschheit ermöglicht haben. Und auf kosmischer Ebene ist das Leben auf der Erde in der Tat prekär.

In etwa 600 Millionen Jahren wird die zunehmende Leuchtkraft der Sonne eine Kette von Ereignissen in Gang setzen, die komplexes Leben und die meisten Pflanzen vernichten werden. Einzelliges Leben wird dann die nächsten drei Milliarden Jahre vorherrschen, dann wird es ebenfalls aussterben. Der Imperativ, der uns auffordert, die ökologischen Bedingungen zu erhalten, die die Entstehung menschlichen Bewusstsein ermöglicht haben, also den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt zu verhindern, fordert uns zugleich auf, dieses Bewusstsein über das Ende der Tage der Erde hinaus zu bewahren. Insbesondere wenn wir, wie Clarke und »Ad Astra« sagen, die einzigen bewussten Bewohner*innen der Galaxie oder sogar des Kosmos sind.

Leigh Phillips

Leigh Phillips ist Wissenschaftsautor und Journalist. Mit Michal Rozworski veröffentlichte er das Buch »The Peopleʼs Republic of Walmart: How the Worldʼs Biggest Corporations are Laying the Foundation for Socialism« (Verso).

Eine längere Version des Artikels erschien zuerst bei Jacobin Magazine. (Übersetzung: Jan Ole Arps) Ab 2020 gibt es Jacobin auch auf deutsch. Komm auf die Gästeliste: www.jacobin.de.

Anmerkungen:
1) Exoplaneten sind Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, also Planeten, die eine andere Sonne umkreisen.
2) Archaeen sind wie Bakterien einzellige Organismen ohne Zellkern. Sie sind eine der drei Kategorien, in die zelluläres Leben eingeteilt wird. Neben Archaeen und Bakterien (die zusammen als Prokaryoten bezeichnet werden) gibt es die Eukaryoten, die einen Zellkern besitzen.