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|ak 678 | Wirtschaft & Soziales |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

Wo kommen die ganzen Millionär*innen her?

Von Lene Kempe

Eher nicht der Ort, wo Menschen zu Reichtum gelangen: New (Las) Vegas. Foto: Alexander Kuzmenko/Flickr, CC BY 2.0

Anfang Januar veröffentlichte das Forbes Magazin neue Daten aus der Welt der Superreichen: Tesla-Chef Elon Musk, dessen privates Vermögen im vergangenen Jahr zwischenzeitlich die 300-Milliarden-Dollar-Marke überschritt, liegt mit weitem Abstand an der Spitze der zehn reichsten Personen der Welt. Satte Kursanstiege der Tesla-Aktie waren ein Grund dafür, dass das Vermögen des Texaners allein 2021 um 116 Milliarden Dollar anwuchs – ein historischer Rekord.  Sein schärfster Konkurrent, Amazon-Gründer Jeff Bezos, wirkt da mit einem Vermögensanstieg von rund fünf Milliarden Dollar in 2021 doch ein bisschen blass. Bezos stieg auf Platz drei ab. Zusammengenommen konnten die Reichsten der Reichen ihr Vermögen gegenüber dem Vorjahr um satte 402 Milliarden Dollar steigern.

Weltweit überstieg die Anzahl der Mitglieder im illustren Millionär*innen-Club im zweiten Krisenjahr erstmals die magische Zahl von 20 Millionen Mitgliedern. Allein in Deutschland zählte die Unternehmensberatung Capgemini in ihrem letzten World Wealth Report von Mitte 2021 1.535.100 (meist männliche) Millionär*innen. Das gemeinsame Vermögen der reichen Weltbürger*innen wuchs um geschätzte 7,6 Prozent oder 1.000 Milliarden auf fast 80 Billionen Dollar.  Inmitten der globalen Corona-Pandemie.

Wie geht das? Eine einfache Faustregel lautet: Wer viel Geld hat, kann noch viel mehr verdienen. Und: Je höher die Risikobereitschaft, desto höher die Gewinnmöglichkeiten. So konnten sich Millionär*innen mit ein bisschen Finanzmarkt-Nervenkitzel – etwa im hochriskanten, aber gewinnträchtigen Kryptowährungsgeschäft – prima die Pandemiezeit vertreiben und gleichzeitig noch mehr Cash anhäufen. Wegen der weltweiten Konsumflaute sparten zudem auch Reiche nach eigenen Angaben viel Geld. Die meisten verdienten ihre Dollars und Euros allerdings mit Aktien oder Immobilien. Für beides bot das anhaltend billige Geld der Zentralbanken auch in den letzten beiden Krisenjahren ein günstiges Umfeld, weil andere Anlagemöglichkeiten wegen der mickrigen Zinsen unattraktiv wurden. Aber auch die Erfolgsbilanzen börsennotierter Unternehmen ließen jede Menge Geld Richtung Aktienmärkte fließen. Laut dem letzten Quartalsbericht der 40 Dax-Unternehmen konnten diese – trotz Lockdowns und Lieferkettenschwierigkeiten – in den ersten neun Monaten 2021 bereits Rekordgewinne in Höhe von 90 Milliarden Euro anhäufen. Nicht wenige profitierten dabei von staatlichen Corona-Hilfen.

Besonders zulegen konnten im vergangenen Jahr die Autobauer VW, BMW und Daimler. Der Grund: Die Marken konzentrierten sich auf ihre hochpreisigen Segmente, auf Luxusautos, für die die wenigen verfügbaren Halbleiter verwendet wurden. Vermögende Käufer*innen sorgten also für ausreichend Nachfrage, um etwa die BMW-Aktie in Krisenzeiten auf hohem Niveau zu halten. Profitiert haben davon unter anderem die Millionärs-Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt, die zu den größten Anteilseigner*innen bei BMW zählen.

Aber auch der Immobiliensektor ist in Deutschland beliebt, um Vermögen anzulegen und zu vermehren – gerade jetzt, wo Inflationssorgen und die befürchtete Wende in der Geldpolitik das Aktiengeschäft unattraktiver werden lassen könnten. Denn wenn die Europäische Zentralbank – nach dem Vorbild der US-amerikanischen FED – die Kreditzinsen tatsächlich wieder erhöhen sollte, würde sie dem Geldkreislauf und damit den Finanzmärkten Liquidität entziehen. Die Nachfrage nach Aktien könnte sinken, weil konventionelle Anlagemöglichkeiten wie langfristige Anleihen stattdessen attraktiver würden; die Aktienkurse könnten dann fallen. An der Börse geht bereits die »Zinsangst« um. Immobilien versprechen demgegenüber auch unter den Bedingungen von Inflation anhaltend hohe Rendite, lassen sich doch die Mieten, die ohnehin seit Jahrzehnten steil nach oben gehen, entsprechend »anpassen«. Zudem ist die Nachfrage nach Immobilien unbegrenzt hoch, was sie zu einer wertvollen Kapitalanlage macht.

Das Gute am Kapitalismus aus Sicht der Superreichen ist also, dass er für jede Krisensituation die passenden Produkte bereithält, um Geld anzulegen und zu vermehren. Und Vermögende schaffen sich selbst ständig neue Geschäftsfelder. So stünde etwa angesichts einer alternden Millionärsklasse in absehbarer Zeit ein gigantischer Vermögenstransfer in Richtung jüngerer Generation an. Über bis zu 30 Billionen Dollar könnten die Rich Kids von heute nach dem Ableben ihrer reichen Verwandtschaft verfügen, schätzt Capgemini. Mindestens 80 Prozent der Erb*innen würden dann neue, gut verdienende Finanzberater*innen suchen. 

Lene Kempe

ist Redakteurin bei ak.