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|ak 680 | Alltag |Kolumne: Jawoll, euer Ehren

Das homofeindliche Gartenhaus

Von Moritz Assall

Das Foto zeigt ein gelbes Gartenhäuschen. Über dem Gartenhäuschen ist ein großer Regenbogen am Himmel zu sehen.
Ob Homofeinde auch versuchen, das Wetter zu verklagen? Foto: Günter Hentschel/ Flickr, CC BY-ND 2.0

Im Mai 2014 betrat Gareth Lee die Ashers Baking Company, bestellte einen Kuchen und löste damit einen Rechtsstreit aus, der bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ging. Aus Sicht der Bäcker*innen gab es nämlich ein Problem mit dem Kuchen. Das Gebäck sollte mit einem Bild von Ernie und Bert, dem Logo der Gruppe QueerSpace und dem Slogan »Support Gay Marriage« verziert werden.

Die Inhaber*innen der Bäckerei, ein junges fotogenes Ehepaar mit evangelikalen Ansichten, nahmen den Auftrag zunächst an. Dann scheint sie jedoch ihr religiöses Gewissen gequält zu haben, vielleicht hatten sie auch des Nachts eine Marienerscheinung oder Erzengelbesuch, jedenfalls änderten sie ihre Meinung und erklärten einen Tag nach der Bestellung, den Kuchen doch nicht liefern zu können, denn schließlich seien sie ein christliches Geschäft und das ein unchristlicher Kuchen.

In der linken Rechtskritik gibt es eine Debatte um folgende Frage: Das Recht trennt in Opfer und Täter, bei Diskriminierungsfragen in Diskriminierte und Diskriminierende. Bedeutet Klage zu erheben dann nicht, sich darauf einzulassen, die Position des Opfers einzunehmen? Die Juristin Elisabeth Holzleithner sieht es anders. Sie schreibt, dem sei »nur bedingt zuzustimmen«, denn die Situation sei »zumindest paradox: Einerseits setzt man sich gleichsam als Opfer; andererseits ist dieses Annehmen des Opferstatuts gleichzeitig ein Akt des Widerstands«, denn »das Opfer begehrt auf«, indem es in diesem »paradoxen Wagnis« des Rechtsstreits versucht, die Kräfteverhältnisse zu verschieben.

Und genau das tat Gareth Lee. Er zog vor Gericht und das zunächst mit Erfolg: Sowohl der County Court, als auch der Court of Appeal sahen in dem Verhalten der Bäckerei eine unzulässige Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung. Als Argument wurde in den Urteilen unter anderem angeführt, dass kein*e Konditor*in sich mit den Motiven auf den Kuchen identifizieren müsse. Wenn zu Halloween eine Hexe aus Zuckerguss angefertigt würde, bedeute das ja auch nicht, dass man Hexen unterstütze. Das sah der Supreme Court leider ganz anders und gab den Bäcker*innen Recht: Selbst wenn das eine Diskriminierung aus politischen Gründen darstelle, könne kein*e Bäckereinhaber*in dazu gezwungen werden, solche Inhalte zu fördern. Letztlich landete das Verfahren nun beim EGMR, der die Beschwerde Anfang diesen Jahres aber aus formalen Gründen abwies – im Ergebnis haben die homofeindlichen Bäcker*innen dieses »paradoxe Wagnis« des Gareth Lee also für sich gewonnen.

In Deutschland erging vor einigen Jahren ein ähnliches Urteil, diesmal zumindest mit besserem Ausgang: Ein Vermieter wollte seine Villa nicht mehr an ein Hochzeitspaar vermieten. Das Paar hatte ihn vorsichtshalber gefragt, ob ihre Homosexualität ein Hindernisgrund für den Vertragsschluss sei. Eine Frage, auf die es viele ganz hervorragende Antworten gibt, so wie zum Beispiel: Nein. Es wäre doch so einfach! Aber nicht doch, stattdessen wird im Urteil seine Antwort wie folgt zitiert: »Sehr gut, dass sie das noch geklärt haben, denn in der Tat ist das hier nicht so einfach, denn das Haus gehört meiner Mutter, und diese kann sich mit den neuen Gegebenheiten noch nicht so recht anfreunden«. Also Absage? Er schrieb weiter: »Ja. Die Kölner sagen dazu liebevoll: Et is wie et is«. Et is vor allem eine klare Diskriminierung, befand das LG Köln. Es urteilte, dass es auf das »Moral- und Anstandsempfinden« der Mutter nicht ankommen könne, auch weil »sich die Mutter des Beklagten nach dessen Vortrag während der Veranstaltungen stets im Gartenhaus« befinde, weswegen »eine Provokation oder ähnliches im Hinblick auf die Mutter mithin nicht anzunehmen« sei. So close and yet so far, liebes Gericht.

Kleiner Tagtraum: die homofeindliche Greisenmutter bleibt einfach auf alle Ewigkeit mit dem evangelikalen Bäckerpaar und Konsorten im Gartenhaus, meinetwegen können sie dort auch ihren christlichen Kuchen essen und wenn sie dazu ein Tischgebet sprechen wollen: go for it. Und alle anderen können Hochzeiten feiern und Gebäck bestellen, wie sie lustig sind. Einfach weil sie Menschen sind. Ganz unparadox.

Moritz Assall

ist Jurist und Kriminalsoziologe. Er arbeitet für die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.