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|ak 678 | Kultur

Revolution oder Klimakatastrophe

»Don’t Look Up« zeigt massenmedial die Dringlichkeit zu handeln, um die Apokalypse abzuwenden

Von David Ernesto García Doell

Wie kriegen wir die Message raus? Die Astronom*innen Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) und Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) beim verzweifelten Versuch, die Öffentlichkeit für das Problem Kometeneinschlag zu sensibilisieren. Foto: Niko Tavernise / Netflix

Die kommenden Klimakatastrophen sind nach Meinung von Klimaforscher*innen so sicher wie DiCaprio-Memes nach Hollywoodfilmen. Die Frage ist nicht mehr, ob sie eintreffen, sondern viel eher, wie schlimm es wird. Trotzdem verhalten sich die Industrienationen weiterhin so, als könnte dem Klimawandel mit ein bisschen mehr grünem Kapitalismus begegnet werden. Der Kassandraruf von Klimaforscher*innen, Fridays for Future und radikaler Klimabewegung verhallt im kapitalistischen business as usual.

Um die drohende Katastrophe und die Schwierigkeiten des klimapolitischen Kassandrarufs geht es in »Don’t Look Up«, dem neuen Film von Adam McKay. Nach der satirischen Kritik am Finanzkapitalismus (»The Big Short«, 2015) und politischen Eliten (»Vice«, 2018) nimmt sich McKay dabei besonders die bonapartistische Administration der Trump-Ära vor sowie die Verwertungslogiken von Medien und Silicon-Valley-Kapitalist*innen. Wie gewohnt ist McKay dabei keine Metapher zu banal und keine Pointe zu derb. So als ob die Heute Show auf Hollywood-Steroiden mit einem Hammer auf eine vulgärmarxistische Karikatur der Wirklichkeit einschlägt. Das macht manchmal Spaß und trifft meistens die Richtigen.

»Wir werden alle sterben!«

Was passiert im Film? Die Astronom*innen Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) entdecken, dass ein riesiger Komet in circa sechs Monaten auf der Erde einschlagen wird. Der Chef der Planetary Defense Organisation Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan), bestätigt, dass der Komet bei seinem Einschlag die Erde vollständig zerstören wird. Zu dritt versuchen sie, die US-Regierung unter Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep) zu warnen. Zunächst erhalten sie gar keinen Termin, dann passt der ungläubigen und opportunistischen Präsidentin das Thema nicht, weil die drohende Komet-Katastrophe sich schlecht auf die Chancen ihrer Partei bei den Midterms auswirken könnte.

Geschockt von der Ignoranz und Skrupellosigkeit sogenannter Realpolitik versucht das Trio sein Glück bei den Medien. Diese operieren allerdings nach der Logik, Informationsprodukte innerhalb einer konsumistischen Boulevardöffentlichkeit zu vermarkten. Kate Dibiasky verliert bei einem gemeinsamen Fernsehauftritt die Nerven und versucht, den abgestumpften Moderator*innen die Wahrheit ins Gesicht zu schreien: »Wir werden alle sterben!« Statt einer wachrüttelnden Wirkung hat dieser Ruf allerdings zur Folge, dass sie zum Internet-Meme à la hysterische Frau abgestempelt wird.

Glücklicherweise gerät die Präsidentin durch einen Sex-Skandal unter Druck. Um davon abzulenken, ändert sie ihre Meinung zum Kometen, der nun durch eine inszenierte Rettungsaktion eines US-Helden zerstört werden soll. Dadurch steigen Oglethorpe, Mindy und Dibiasky kurzzeitig zu offiziellen Berater*innen des Weißen Hauses auf. Die Hoffnung hält allerdings nur kurz, da der Silicon-Valley-Kapitalist und größte Geldgeber der US-Präsidentin, Peter Isherwell (Mark Rylance), entdeckt, dass der Komet ausbeutbare Ressourcen enhält. Die laufende Rettungsmission wird abgesagt. Der neue Kurs der Präsidentin lautet: »Don’t look up«; die Gefahren des Kometen werden nun geleugnet und der irrwitzige Versuch, seine Ressourcen auszubeuten, als rational dargestellt. Es entbrennt ein ideologischer Kampf zwischen der »Just-look-up-Bewegung«, der sich die Wissenschaft, das linksliberale Hollywood und die liberale Öffentlichkeit anschließen, und einem Bündnis von Großkapital, das den Kometen ausbeuten will, einerseits und einem trumpesken Mob aus Verschwörungstheoretiker*innen, Kleinbürger*innen und Arbeiter*innen, die den Kometen entweder gänzlich leugnen oder sich von seiner Ausbeutung Arbeitsplätze versprechen.

Im Film dreht sich alles ausschließlich um die Vermittlung der Wahrheit.

Das Ende der Welt oder das Ende des Kapitalismus?

Die Reaktionen auf den Netflix-Blockbuster fallen kontrovers aus. Die liberale und konservative Kritik ist eher negativ. Besonders werden drei Dinge bemängelt: Dass der Film erstens keinerlei Subtilität anbiete, sich zweitens über Menschen lustig mache, die es als Verbündete zur Bewältigung der Klimakatastrophe bräuchte, und dass drittens die Komet-Metapher inakkurat sei. Denn die Komet-Story wäre in der Realität super medial vermarktbar und außerdem viel leichter zu vermitteln als die Komplexität einer langsamen Klimaerwärmung und deren verheerenden, aber weniger absehbaren Folgen.

Von Klimaforscher*innen und Linken wird der Film hingegen eher positiv rezipiert. Genau so würden sie sich fühlen als Wissenschaftler*innen, deren Warnungen vor dem Weltuntergang niemand ernst nimmt. Einige Linke loben die Kritik an politischer Ökonomie, am Trumpismus, den Exzessen des Silicon-Valley-Kapitalismus und auch die durchschlagende Untiefe des Films.

So gerne man diesen Antworten auf die liberale Filmkritik zustimmen mag, so sehr ergeben sich allerdings auch aus kommunistischer Perspektive Probleme. Ist der Film in Bezug auf die Komet-Metapher nicht in anderer Hinsicht inadäquat, nämlich besonders dahingehend, dass die Klimakatastrophen zunächst vor allem das rassifizierte Surplusproletariat und Bevölkerungen im globalen Süden treffen wird? Im ganzen Film spielt race keine Rolle, in Bezug auf die kommenden Klimakatastrophen und den schleichenden Genozid im globalen Süden, Fluchtbewegungen und Grenzregime ist das aber ein zentraler Brennpunkt des sozialpolitischen Konflikts.

Weiterhin verhandelt der Film das Problem der Klimakatastrophe ausschließlich im Rahmen eines liberalen Kassandrarufs. Alles dreht sich um die Vermittlung der Wahrheit, während es in der Realität doch bereits einen materiellen Kampf zwischen weltweiten Klimabewegungen auf der einen Seite und Kapitalist*innen, Staaten und leider auch Gewerkschaften auf der anderen Seite gibt. Hier könnte argumentiert werden, dass es sich um einen leicht konsumierbaren End-of-the-World-Popcorn-Film handelt, der sich nicht mal die Mühe macht, das Ende des Kapitalismus auch nur als Option zu imaginieren. Der Grundstein für die kommende Klimakatastrophe wurde zudem weder von Silicon-Valley-Kapitalist*innen noch postmodernen Medienformaten gelegt. Nicht diese Exzesse des Systems sind das Problem, sondern bereits die Naturausbeutung im Industriekapitalismus.

Nichts trifft die Gegenwart wohl so wie Mark Fishers Beschreibung, »dass wir uns das Ende der Welt eher vorstellen könnten als das Ende des Kapitalismus«. Auch »Don’t Look Up« hat daran einen Anteil, der unterm Strich ein zynisches »Ich hatte es euch doch gesagt« bleibt, während über die Möglichkeiten kollektiver Kämpfe geschwiegen wird und die realen Betroffenen der Klimakatastrophen weiter marginalisiert werden.