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|ak 642 | Alltag

An den Eiern

Sexistische Täter und Täterschützer kriegen langsam Angst – gut so

Von Paula Irmschler

Letztens mal wieder den Film »Save the Last Dance« gesehen mit der sehr guten Szene, in der Chenille (Kerry Washington) in einem Club im Vorbeigehen von einem Typen an den Hintern gegrapscht wird. Der gibt dabei lüstern von sich: »Damn. You got it, you got it.« Sie packt ihn an seinen Eiern und entgegnet: »Got what? The right to walk past your greasy, tickle-dick self without your paws on my ass? That’s how I got it? That’s how I thought I had it.«

Ja, das ist der Punkt: Übergriffige Typen glauben, dass sie das einfach bringen können, dass sie belästigen und antatschen können, weil sie geschützt werden – durch eine Kultur, ein gesellschaftliches Klima, ihre Jungs, ein paar vorgeschobene Frauen, die das angeblich »nicht so schlimm« finden. Und nicht selten auch durch das Gesetz. Sie können es tun, weil sie wissen, dass sie nicht viel zu befürchten haben, dass es kaum Konsequenzen gibt, dass es nicht wenige sogar richtig, natürlich oder verständlich finden. Und sie tun es schamlos, privat wie öffentlich. Das nennt man rape culture, und die ist immer noch institutionell verankert.

Gemeinsam mit einer anderen Frau habe ich mal einen Typen ausfindig gemacht, der uns bedroht hat. Er ließ sich nicht durch juristische Drohungen davon abhalten, weiter Frauen anzugehen, auch Facebook sperrte nicht ihn, sondern mich, wegen der Veröffentlichung seiner Nachrichten. Erst als die andere Frau ihn tatsächlich über seine Großmutter ans Telefon bekam, knickte er ein. Er begriff, dass der Shit nicht anonym ist, dass wir echt sind, und dass es uns ernst ist mit unserer Gegenwehr. Er willigte ein, ein paar Hundert Euro an Organisationen für Betroffene sexueller Gewalt zu spenden.

Mit diesem täterschützenden System, in dem sich Männer sicher fühlen, wurde auch die Österreicherin Sigi Maurer konfrontiert. Ein Bierladenbesitzer hatte der Ex-Grünen-Politikerin belästigende und bedrohende Facebooknachrichten geschickt. Sie hatte sie veröffentlicht. Er zeigte sie an wegen Rufmord, bekam Recht, Sigi Maurer Anfang Oktober eine Geldstrafe aufgebrummt und von einer Reihe Männer weitere Drohungen zugeschickt. Muss man sich mal reinziehen: Männer wollen beweisen, dass die Frau übertreibt oder lügt, und tun genau das, was sie ihnen vorwirft: Vergewaltigungs- und Todesdrohungen schicken.

So funktioniert Täterzusammenhalt: Das Opfer muss zum Schweigen gebracht werden, es darf nicht stark sein, sich nicht wehren, es muss still leiden. Und wenn es das nicht tut, tritt man eben nach. Man macht sich zum Mittäter, weil Frauen wie Maurer das Selbstverständnis einer mächtigen Männlichkeit infrage stellen, und so geht es ja nun nicht. Das alles passiert auch noch unter der angeblichen Annahme, dass sie eigentlich nicht Opfer ist, sondern Täterin. Entweder als Lügnerin oder als Entlarvende. Klingt völlig Banane? Ja, deswegen ist ja auch alles so scheiße.

In den Kommentarspalten übertrifft Mann sich anschließend mit noch mehr Abwehr. Mitleid hat man mit dem Typen, der jetzt Probleme hat, nicht mit der Frau. Warum? Männer ahnen, dass sie »die Nächsten« sein könnten. Und das stimmt. Weil es immer weniger Frauen gibt, die sich das gefallen lassen müssen. Sie tun sich zusammen, sie unterstützen sich, sie werden lauter.

Vorerst hat Maurer verloren (sie will in Berufung gehen), aber es wird immer deutlicher: Die Handlungen solcher Typen erzeugen ein Echo, sie sind politisch, und da sie uns öffentlich angetan werden, können wir sie auch öffentlich behandeln. Sonst haben Männer ja auch nette Tipps für Situationen, in denen wir von Angst sprechen. »Ich würde dem in die Eier treten«, »Sagt doch gleich was«, »Wehrt euch«, sowas halt. Mal davon ab, dass Gegenwehr noch mehr Gefahr für uns bedeuten kann, ob psychisch, verbal oder juristisch, versuchen wir genau das immer wieder. Und die Gegenwehr und Solidarität wird größer. An Maurers Seite stehen Tausende. Wir haben sie an den Eiern. Die Kommentarspalten zeigen, dass Täter und Täterversteher schuldbewusst zittern. Gut. That’s how we got it.

Paula Irmschler

ist Autorin und Redakteurin und wohnt in Köln.